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Voscheraus zaghaftes Flügelschlagen

■ Senat berät Konzept zur Bezirksreform / Papier soll erst öffentlich diskutiert werden / SPD-interne Kritik: Kein großere Wurf

/ Papier soll erst öffentlich diskutiert werden / SPD-interne Kritik: Kein großer Wurf

Voscherau hat Wort gehalten. Morgen wird er mit seinem Kollegium einen fast 200 Seiten schweren Papierberg mit dem griffigen Namen „2. Ergänzung zur Senatsdrucksache Nr. 500/91 — vertraulich“ diskutieren. Der umständlichen Überschrift zum Trotz enthält das Papier ein detailliertes Konzept aus Gesetzesvorschlägen und Einzelmaßnahmen, mit welchem Voscherau den Einstieg in die Modernisierung von Hamburgs Verwaltung schaffen möchte (siehe Kasten). Es ist nach Auffassung politischer Beobachter sein wohl letzter Versuch, dieses Wahlversprechen vor dem Politfriedhof zu retten.

Ein mehr als vorsichtiger Versuch. Was er mit seinen, von Senatskollegen spöttisch als „Wadenbeißer“ titulierten Helfern Peter Zumkley (Bonn- und Verwaltungssenator) und Helmut Raloff (Staatsrat) zusammengebastelt hat, soll morgen nicht etwa beschlossen, sondern lediglich vom Senat „zur Kenntnis“ genommen und dann auf einen langen Diskussionsweg geschickt werden. Bürgerschaft, Bezirke, Wirtschaftslobbys (von Handelskammer bis Gewerkschaften) und vielleicht sogar die Öffentlichkeit sollen das Konzept diskutieren. Erst danach will sich der Senat auf einen endgültigen Vorschlag festlegen.

Sind vielleicht die Inhalte diesmal so brisant, daß Voscherau den Samtpfötchenweg gehen will? Nein! Wer sich durch den Papierwust wühlt und seine Inhalte mit Vertretern der classa politica innerhalb und außerhalb der SPD diskutiert, kommt zum gegenteiligen Ergebnis. Zwar sind derzeit keine offiziellen Statements zu bekommen, die inoffiziellen Bewertungen sind jedoch eindeutig: „Das ist kein großer Wurf.“ „Da hat Henning fast alleProblempunkte ausgeklammert.“ „Voscherau nimmt das alles doch schon selber nicht mehr ernst.“

In der Tat: Wer etwa nach der laut Expertenurteil überfälligen Reform von Senat und Fachbehörde sucht, wird ebenso enttäuscht, wie derjenige, der nach neuen Bezirkszuschnitten (Ausnahme: Hafen) oder gar einem neuen inneren Aufbau der Bezirke fahndet. Wer gar geglaubt hatte, der Bürgermeister werde ein integriertes Gesamtkonzept zur Reform von Verfassung, Senat, Bürgerschaft und Verwaltung vorlegen, ist gänzlich auf dem Holzweg. Voscherau betont, man könne höchstens in kleinen Schritten vorgehen.

Was bleibt, ist nicht einmal eine Verwaltungsreform, sondern eine kleine Bezirksverwaltungsreform — allerdings mit drei wichtigen Punkten: Die Bezirke erhalten einen Bezirksgouverneur statt eines gewählten Bezirksamtsleiters. Sie erhalten einige neue Aufgaben, dürfen aber dafür weniger mitreden und müssen sich stärker kontrollieren lassen. „Bürgernähe“, so heißt es in

1Voscheraus Papier wortwörtlich, meint lediglich „Ortsnähe zu Wohnschwerpunkten, publikumsorientierte Öffnungszeiten und rasche Entscheidung.“

Ein führender Genosse dazu: „Da will ein Technokrat die Senatokratie noch weiter ausbauen. Das ist doch das direkte Gegenteil von mehr Demokratie und Bürgernähe.“ Politische InsiderInnen bezweifeln jedoch, daß Voscheraus Kalkül einer technokratischen „Verwaltungsreform light“ überhaupt aufgeht. „Wir sind“, so eine

1führende Genossin, „beim Bürger doch im Wort.“ Und: „Die nächsten Wochen der politischen Diskussion in Hamburg sind entscheidend. Aus sich selbst heraus ist die

1SPD zu echten Reformen nicht mehr fähig.„ Florian Marten

Morgen in der taz: Was andere von dem Reförmchen halten und „Mit dem Bezirk auf du und du“

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