Ohne Bilanz

■ betr.: "Brutalprodukt" Ökolumne von Thomas Worm, taz vom 17.4.93

betr.: „Brutalprodukt“ Ökolumne von Thomas Worm,

taz vom 17.4.93

Trotz aller negativen Folgen des Prinzips der Geldvermehrung, die Thomas Worm ins Auge stechen, schafft er es, jene nicht zum Argument gegen das System zu machen: Er deutet das Wirtschaftswachstum in ein reales Minus um, auch wenn er lässig Schwierigkeiten einräumt (mit wieviel DM sei z.B. ein smoggeschädigter Herzpatient zu veranschlagen!). Nun ja, die Folgen, die die Opfer des Systems zu tragen haben, schlagen in der Tat in den nationalen und betrieblichen Bilanzen nicht zu Buche. Dazu meint Idealist Worm: Schön wäre es, wenn sie genau das täten. Schließlich handele es sich ja um „unser“ System.

Als „Realist“ hat er total übersehen, daß, das Absahnen und die Kosten des Reichtums im Blick, immer eine Klassengesellschaft unterstellt ist, die überhaupt keinen (Ver-)Rechnungsbedarf und kein -problem diesbezüglich hat. Wolfgang Richter, Augsburg

[...] Mit der Zusammenstellung dieses Sozialprodukts sollte sofort begonnen werden. Die Form der Umsetzung in der von ihm beschriebenen Form ist mir jedoch zu schwammig. Warum nicht zur Umsetzung ein altbewährtes Mittel einsetzen: den Kontenplan.

Die Ermittlung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten erfolgt nach den Grundsätzen der doppelten Buchführung. Man verwendet in den Betrieben Aufwands- und Ertragskonten, das Gewinn- und Verlustkonto und schließlich die Schlußbilanz.

Bei der Ermittlung des Bruttosozialprodukts wird, wie von Thomas Worm beschrieben, einfach alles als „Erfolg“ addiert, was im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeiten meßbar ist. [...] Ein Beispiel: Der Mineralölverbrauch wäre als umweltschädigende Tätigkeit in einem G & V-Konto im „Haben“, also als etwas Negatives zu buchen. Man kann jedoch auch, um ein differenzierteres Bild zu erhalten, erst ein Konto Mineralölverbrauch bilden und auf diesem Konto in die einzelnen Sparten des Mineralölverbrauchs verzweigen. Also ermitteln, weshalb wird verbraucht. Hier kann dann, je nach Bewertung, im „Soll“ und „Haben“ der Verbrauch wegen Motoröl, Treibstoff, Medikamentenherstellung, Kunststoffherstellung etc. gebucht werden.

Bei Kontroversen, bei der Einstufung nach „Soll“ und „Haben“ erfolgt von den an der Erstellung des Ökosozialprodukts Beteiligten eine Abstimmung. Entsprechend der Abstimmung wird der strittige Teil des Sozialprodukts gesplittet. Also bei einer 2:3-Abstimmung 40 Prozent ins Soll und 60 Prozent ins Haben. Eine Alternative dazu wäre, alle Teilprodukte, ggf. wieder über eine Abstimmung, jeweils als Ganzes einer Seite zuzuordnen.

Unabhängig davon, welcher Modus gewählt wird, würde bei Änderungen in der Einstufung das Sozialprodukt nicht „verfälscht“, sondern könnten die bereits in der Vergangenheit nach diesem Muster erstellten Sozialprodukte nach einem einheitlichen Schema nachträglich geändert werden. Dadurch kommt es natürlich zu einer Korrektur der bisherigen jeweiligen Jahresergebnisse. Aber diese Korrekturen führen dann nur dazu, daß das Ergebnis nach und nach seinem „wahren“ ökologischen Standard angenähert wird. [...] Roland Schmitt, Saarbrücken