■ Die SPD kann sich Engholm nicht länger leisten: Watt mutt, datt mutt gar nicht
Der Mann ist seinen Job doch eigentlich schon los. Nur die Partei, deren nomineller Vorsitzender er ist, kann sich noch nicht entschließen. Ernst nimmt ihn indes keiner mehr. Anfang der Woche ein vorsichtig- wabernder Versuch, die festgezurrte Haltung der Sozialdemokraten in Sachen Militäreinsätze zu rechtfertigen und ein bißchen aufzuweichen, kurz darauf die Forderung nach einem zweiten Arbeitsmarkt. Doch wie er ersteres unter dem Druck seiner Parteifreunde schnell dementieren mußte, so wird auch sein arbeitsmarktpolitischer Ausfallschritt mit einer Klarstellung enden, nach der alles wieder so ist wie zuvor. Was bei Lafontaine den Beginn einer handfesten Kontroverse signalisiert hätte, schrumpft unter Engholm auf Kurzmeldungsniveau.
Wer darauf einsteigt, ist selbst dran schuld. Längst werden seine Wortmeldungen nicht mehr als politische Interventionsversuche wahrgenommen, sondern nur noch als hilflose Gesten, zu simulieren, er sei vielleicht doch, was er doch eigentlich nie sein wollte – Parteichef und Kanzlerkandidat. Wie er sich in beide Funktionen hineindrängen ließ – in einem zähen, peinigenden Prozeß, in dem nie wirklich erkennbar wurde, wofür er sich da hatte breitschlagen lassen – so drängt es ihn jetzt wieder hinaus. Am Ende wird nicht viel mehr stehen als die Abwandlung seiner legendären Antrittsformel: Watt mutt, dat mutt gar nicht. Nur die Entscheidung, wann das erlösende Wort endlich fällt, die muß ihm, um Himmels Willen, einer abnehmen! – Die SPD kann sich Engholm nicht länger leisten. So wie sich die Republik nicht länger eine desorientiert vor sich hintrudelnde SPD leisten kann. Dazu sind die Entscheidungen, auf die die Bundesregierung unverschämt-entschlossen hinarbeitet, zu gravierend. Mit Engholm an der Spitze ist – wie beim Asylkompromiß – auch bei der Neubestimmung der Außenpolitik die Verabschiedung der SPD aus der Politik schon programmiert. Das Muster ist vorgezeichnet: erst der prinzipienfest-entschlossene Wider-
stand, dann, wenn der Druck soweit gestiegen ist,
daß auch die Sozialdemokraten an ihrem nationalen
Verantwortungsbewußtsein zu zweifeln beginnen,
die beredt vorgetragene, bedingungslose Überga-
be.
Während Engholm neuerlich in der Frage der Out- of-area-Einsätze laviert, ein bißchen will und sich nicht traut, schwinden auch hier die Chancen für die SPD, am Ende noch Einfluß zu wahren. Während sich die SPD-Politik darin erschöpft, auf einen unsicheren Spruch aus Karlsruhe zu hoffen, müßte ihr Vorschlag längst auf dem Tisch liegen. Es geht um die Wahrnehmung internationaler Verantwortung bei gleichzeitiger Eindämmung der militärischen Wunschträume führender Unionspolitiker. Mit Engholm ist das nicht zu machen. Wer nur in der SPD sagt es ihm? Matthias Geis
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