: Beamte & Computer gegen Asylbetrug
■ DatenschützerInnen besorgt: Alle Asylsuchenden in Kriminellen-Datei gesammelt
Vor knapp einem halben Jahr wurde sie gegründet, die polizeiliche Ermittlungsgruppe, die der Mehrfachidentität von Asylsuchenden auf die Spur kommen soll. Bereits jetzt wird sie aufgestockt: von 10 auf 15 BeamtInnen. Grund sei der „immens gestiegene Arbeitsaufwand“, so Polizeisprecher Ralf Pestrup. Die Staatsanwälte brüten derzeit über den Anklageschriften und haben jede Menge Nachfragen an die Polizei.
Allein im Februar sind 30 Asylsuchende verhaftet worden. Rund 100 sitzen in Untersuchungshaft. Manche AsylbewerberInnen hätten sich in bis zu acht Orten gemeldet, weiß Hans-Georg von Bock, zuständiger Abteilungsleiter beim Justizsenat. Die meisten kämen aus Schwarzafrika, zum Beispiel Nigeria und Ghana. Wie man den mutmaßlichen BetrügerInnen auf die Spur kommt, beschreibt Polizeisprecher Pestrup so: Zum Beispiel vermuten die Beamten in einem Lokal Drogenhandel, verlangen also von den Gästen die Ausweise. Sind die Papiere unvollständig oder zweifelhaft, werden Fingerabdrücke genommen und zum BKA geschickt. Dort vergleicht ein Computer den Fingerabdruck mit dem von allen anderen registrierten AsylbewerberInnen. Mehrfachidentitäten fliegen auf.
„AFIS“ heißt der nützliche Diener: Automatisiertes Fingerabdruck-Identifizierungs-System. Mithilfe des Computers spart die Polizei Zeit — länger als 24 Stunden darf sie niemanden festhalten. Im Lauf des Jahres soll AFIS auch in Bremen eingeführt werden. Eine technische Neuerung, die von einer gesetzlichen begleitet wird: dem neuen Asylverfahrensgesetz. Im vergangenen Sommer wurde es beschlossen, am 1. April umgesetzt. Durften bislang von AsylbewerberInnen nur dann Fingerabdrücke und Fotos gemacht werden, wenn ihre Identität nicht eindeutig feststand, so gibt es seit dem 1.4 keine Beschränkung mehr: Alle Asylsuchenden über 14 Jahre dürfen erkennungsdienstlich behandelt werden.
Datenfutter für die Polizei- Computer — und Anlaß zur Sorge für Bremens DatenschützerInnen. „Unverhältnismäßig“ sei diese flächendeckende Erfassung, sagen sie. Bislang gebe es nur Zahlen aus den Niederlanden: Danach stellten 20 Prozent der BewerberInnen unter falschem Namen einen zweiten Asylantrag. Noch immer also sei nicht erwiesen, daß die Identität eines hohen Anteils der Asylsuchenden — und nicht bloß einzelner oder bestimmter Gruppen — zweifelhaft sei.
Mit dem Automatisierten Finderabdruck-System AFIS jedoch würden alle Asylsuchenden wie StraftäterInnen behandelt. Wie bei schweren Gewalttätern werden alle zehn Finger vom Computer ausgewertet und als Formel festgehalten. Jede Polizeidienststelle wird künftig auf die Daten von AsylbewerberInnen ungehinderten Zugriff haben, so Harald Stief von der Landesanstalt für Datenschutz. Doch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gilt grundsätzlich auch für AusländerInnen — uneingeschränkt. Die Forderung der DatenschützerInnen: Speicherung der Daten nur bei den Ausländerbehörden. „Nur so ist eine strikte Zweckbindung der Daten zu gewährleisten.“
Christine Holch
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