piwik no script img

„Niemals Diener zweier Herren“

Bei der gestrigen Bundestagsdebatte zur doppelten Staatsbürgerschaft glänzen Unionsabgeordnete durch ihre ideologische Verbiesterung / SPD-Entwurf bleibt im Parlament ohne Chance  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Eigentlich hatte sich die christdemokratische Abteilung der CDU/CSU-Fraktion wohl vorgenommen, maßvollen Fortschrittswillen zu signalisieren. Aber nicht nur Burkhardt Hirsch war enttäuscht. Der Liberale bekannte, die erste Bemerkung von Erwin Marschewski (CDU) habe ihn hoffen lassen, Heiner Geißler habe seinen Fraktionskollegen überzeugt. Doch Hirsch sah sein Weltbild schnell wieder bestätigt.

Denn der Innenexperte der Union repetierte getreulich, was in seiner Partei zum Staatsbürgerrecht seit jeher gilt. Der Gesetzentwurf der SPD zur doppelten Staatsbürgerschaft und erleichterten Einbürgerung, der gestern in erster Lesung behandelt wurde, sei „Ausdruck eines unreflektierten, veröffentlichten Zeitgeistes“. Das Bekenntnis Marschewskis dagegen: „Jedes Volk ist eine Schicksalsgemeinschaft“, die beliebige Ein- und Ausstiege nicht erlaube.

Cornelia Schmalz-Jacobsen, Ausländerbeauftragte der Bundesregierung und FDP-Abgeordnete, war selbstverständlich zu höflich, um Namen zu nennen. Aber ihre Bemerkung, man solle doch aufhören, die doppelte Staatsanghörigkeit als „etwas Unanständiges wie etwa die Vielweiberei“ zu behandeln, zielte in Richtung Union. In „sechs kurzen Bemerkungen“ legte Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) sein Integrationsprogramm vor. Noch in dieser Legislaturperiode soll eine Reform von Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsrecht vorgelegt werden – ein Konzept der denkbar kleinsten Schritte. Wenig genug, doch im Vergleich zu seinen Fraktionskollegen Marschewski, Zeitlmann und Belle (die beiden letzteren aus der CSU) wirkte Seiters pragmatisch-gemäßigt. Denn der Grundsatz „Die deutsche Staatsangehörigkeit beruht auf Abstammung“ gehört in der Union offenkundig immer noch zu den festen ideologischen Beständen. Eine „ungerechte Bevorteilung“ befürchtet etwa Erwin Marschewski für die Staatsbürger mit zwei Pässen. Auch CSU-Kollege Wolfgang Zeitlmann sah die Gefahr einer „Besserstellung gegenüber den einfachen Deutschen“.

Schlimmer noch: Die Deutschen mit zweiter Staatsangehörigkeit, zu „uneingeschränkter Loyalität“ ohnehin nicht fähig, könnten jederzeit in ihr Heimatland zurück und selbst dann noch die deutsche Staatsangehörigkeit an ihre Kinder vererben. Es droht gewissermaßen ein weltweit verbreitetes, erschlichenes, illegitimes Deutschtum. Und Meinrad Belle (CSU) urteilte, die doppelte Staatsangehörigkeit „stellt ein Übel dar, weil niemand zwei Herren dienen kann“. Womit immerhin auch gesagt ist, daß der deutsche Staatsbürger im Verständnis der CSU einem Herren zu dienen hat. Die Minderheit der Union, die anerkennt, daß Deutschland längst Einwanderungsland ist und Konsequenzen daraus zieht, kam gestern nur in den Reden von Herta Däubler-Gmelin und Cornelie Sonntag (SPD) vor.

Tröstlich immerhin: Die Union ist isoliert. Schmalz-Jacobsen konnte gestern verkünden, daß sich die FDP weitgehend auf ihre Position begeben hat. Die generelle Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft hat rechnerisch eine parlamentarische Mehrheit. Politisch noch nicht, wegen der Koalitionsräson.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen