Unterm Strich

Späte Geburt: Einen knappen Tag, bevor die frühere DDR-Akademie der Künste in Ostberlin staatsrechtlich aufhörte zu existieren, meldete sich am Freitag überraschend Bundeskanzler Helmut Kohl zu Wort und erhob schwere Bedenken gegen die umstrittene „En-bloc“-Übernahme von 44 Ostberliner Akademiemitgliedern in die neue Berlin-Brandenburgische Kunstakademie. Der Wende-Kanzler äußerte in einem Zeitungsbeitrag „Befremden und Sorge“ und forderte eine „Überprüfung“ der Übernahme, da er sonst einen „erheblichen Schaden für die geistig-kulturelle Ausstrahlung der deutschen Hauptstadt“ befürchtet. Kohls Vorstoß in letzter Minute schlug am Freitag bei der Akademie am Hanseatenweg wie eine Bombe ein. Allzu überraschend kam dieser Seitenhieb, besonders Akademiepräsident Walter Jens wunderte sich, denn die für Mitte Juni geplante „Vereinigungs-Mitgliederversammlung“ in Berlin steht nun endlich und endgültig in allen wichtigen Terminkalendern. Eigentlich schon für April vorgesehen, hatte sich das Treffen wegen der immer wieder hinausgezögerten Zustimmung Brandenburgs zur Auflösung der DDR-Akademie zum Ärger von Jens immer wieder verzögert. Als die Zustimmung dann endlich kam, sollte über den langen Streit um die sogenannte En-bloc-Übernahme mitsamt den schmerzhaften Austritten einiger Akademiemitglieder endlich das Gras der Gechichte wachsen. Und nun kommt da so ein Kamel ... und dann auch noch auf den letzten Drücker ...

Frühe Geburt: Karl Marx hätte sich über so ein Geschenk zu seinem 175. Geburtstag am 5. Mai sicherlich gefreut. In seiner Heimatstadt Trier werden an diesem Festtag zwei neue Bände der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA) vorgestellt. Damit sind immerhin schon 47 von 142 beabsichtigten Bänden des Marx-Werkes erschienen. Die Geburtstagsfeier für den Philosophen und Politiker fällt aber insgesamt eher bescheiden aus. „Wir machen kein besonderes Programm“, so Hans Pelger, Leiter des Trierer Karl- Marx-Hauses und Vorstandsmitglied der Internationalen Marx-Engels-Stiftung (IMES) in Amsterdam. Man ist froh, daß nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Staaten der Rummel um Karl Marx langsam vorbei ist. „Es wird immer klarer, daß dieses Herunterstürzen, das Verbrennen nach 1989 im Grunde ein kollektiver Schwachsinn war“, meint Pelger, der dann aber doch zugeben muß, daß die politischen Entwicklungen im Osten für die Marx-Forschung auch Positives gebracht haben: Endlich frei von allem parteipolitischen Ballast kann jetzt am Werk von Marx weitergeforscht werden. Genug Arbeit also für die nächsten Glasnost-Jahrzehnte. Und dann sind da ja auch noch die 45 bereits erschienenen Bände: Die Korrektur einiger „eklatanter Schwächen“ wollen die Herausgeber nicht ausschließen.