■ Björn Engholms Rücktritt sollte Maßstäbe setzen: Eine Absage an die Amigo-Republik
Björn Engholm machte es kurz; zwar nicht unbedingt schmerz-, aber doch weitgehend klaglos. Auch wenn der Kandidat so offensichtlich an seinen Ämtern ermüdet war, daß er bei seinem Rücktritt erleichtert und befreit wirkte, hat er zwar kein Mitleid, aber doch Respekt verdient. Manfred Stolpe, der im Aussitzen Kohlsches Format bewies, hatte ihm noch angeraten, in jedem Falle hart zu bleiben. Engholm hingegen, der mit einem großen moralischen Anspruch angetreten war, wurde diesem auch gerecht. Er räumte – wenn auch sehr spät und nicht gerade freiwillig – seine politischen und moralischen Verfehlungen ein und zog die nötigen Konsequenzen. Damit demonstrierte er, daß er nicht zu dem mittlerweile in Deutschland vorherrschenden Typ des Politikers gehört, der sich nur mit Gewalt aus dem Amt zerren läßt, der so lange an seinem Sessel klebt, bis ihn die eigene Partei meucheln muß.
Engholm hat als Kandidat und Oppositionsführer nicht viel erreicht, doch mit seinem schnellen Rücktritt hat er ein Beispiel gesetzt, das fortwirken sollte. Auch wenn es zu schön wäre, um wahr zu werden, andere Politiker sollten sich sein konsequentes Handeln zum Vorbild nehmen: der raffsüchtige Krause, der nicht zuletzt der res publica, der öffentlichen Sache, dient, um sich privat zu bereichern; Max Streibl und seine bayerischen Spezis; die gesamte Amigo-Republik, deren Exponenten den Verdruß an der Politik à la Italia bis zum Legitimationsverlust der gesamten politischen Klasse treiben werden.
Diese Aussitzer, aber auch Sozialdemokraten wie Oskar Lafontaine, haben ihren Feind inzwischen in den Medien und ihrem „Schweinejournalismus“ erkannt, sie stilisieren sich in schwer erträglichem Selbstmitleid zu unschuldigen und ohnmächtigen Opfern haltloser Kampagnen. Den Medien, die von immer weniger Großkonzernen beherrscht werden, die keiner demokratischen Kontrolle unterliegen, sind zwar Vorwürfe zu machen. Boulevardzeitungen haben Menschen in den Tod getrieben und werden dies um der Auflage willen weiter tun; die erfolgreichen TV-Privatkanäle haben die minimalen Standards von Niveau und Dezenz gesprengt. Die Kritik an diesen Exponenten der Medien ist ebenso berechtigt wie notwendig. Wann die Politikverdrossenheit durch eine Medienverdrossenheit komplettiert wird, ist nur noch eine Frage der Zeit.
Im Fall Engholm jedoch ist den Medien kein Vorwurf zu machen. Sie haben der Wahrheitsfindung in der Barschel-Affäre gedient und ihre Aufgabe als Kontrollinstanz der Politik erfüllt. So muß es sein. Michael Sontheimer
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