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Weltgrößter Flugzeugleaser GPA im Sturzflug

■ Hohe Schulden: Müssen Aktionäre zahlen oder Gläubigerbanken übernehmen?

Dublin (taz) – Ein irisches Märchen ohne Happy-End: Das weltgrößte Flugzeugleasing-Unternehmen GPA steckt so tief in den roten Zahlen, daß eine Übernahme der Firma durch die Gläubigerbanken droht. Der GPA- Vorstand versucht verzweifelt, 5,5 Milliarden Dollar Schulden umzustrukturieren. Zwar haben die meisten der 138 Banken einem Aufschub der Rückzahlung von einer Milliarde Dollar bis 1996 prinzipiell zugestimmt und die Flugzeugbauer Auftragsstornierungen in Höhe von acht oder neun Milliarden Dollar vorerst hingenommen, doch Voraussetzung für diese Stillhalteabkommen ist die Erhöhung des GPA-Eigenkapitals um 200 Millionen Dollar. In diesem und im nächsten Monat werden nämlich ungesicherte Schuldscheine in dieser Höhe fällig.

Die Aktionäre weigern sich, das Geld in das marode Unternehmen hineinzuschießen, da sie nicht einsehen, warum die Interessen der Gläubiger Vorrang vor ihren eigenen Interessen haben sollen. Gestern sollte über personelle Konsequenzen beraten werden. Der GPA-Vorsitzende Tony Ryan gab sich optimistisch, daß die Firma ihren Verpflichtungen nachkommen kann.

Dabei hat vor 18 Jahren alles so traumhaft angefangen. Nachdem Ryan, der Sohn eines irischen Lokomotivführers, 20 Jahre für die irische Fluggesellschaft Aer Lingus gearbeitet hatte, gründete der heute 57jährige die „Guiness Peat Aviation“ – heute „GPA Group“. Die Bedingungen für die Firmengründung waren in Irland günstig: Da der Hauptsitz des Unternehmens in der zollfreien Zone des Flughafens Shannon liegt, war die Firma bis Ende 1990 von der Steuer befreit. Auch auf die Dividende mußten Aktionäre mit Wohnsitz in Irland keine Steuer zahlen.

Seit Anfang der achtziger Jahre wuchs GPA mit geradezu atemberaubender Geschwindigkeit. Besaß die Firma 1982 nur 16 Flugzeuge, so stieg diese Zahl bis 1990 auf 245 Maschinen im Wert von 4,8 Milliarden US-Dollar. Noch im Finanzjahr 1989/90 verzeichnete das Unternehmen einen Gewinnzuwachs von 59 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Reingewinn betrug 242 Millionen Dollar – GPA wurde zum weltweit größten Unternehmen in der Branche mit einem Marktanteil von 40 Prozent.

Die geleasten Maschinen fallen nach einem bestimmten Zeitraum wieder an GPA zurück. Mit dem Verkauf dieser gebrauchten Flugzeuge machte GPA in den vergangenen Jahren astronomische Gewinne. Deshalb orderte das Unternehmen Flugzeuge, als ob es bei den Bestellungen um Fahrräder ging. Für die neunziger Jahre bestellte GPA 700 weitere Flugzeuge. Für das nächste Jahrtausend wurden 15 Airbus-340 angefordert.

Ryan ist heute nur noch mit 8,1 Prozent am Aktienkapital von GPA beteiligt. Hauptaktionäre sind inzwischen die japanische Nomura International Bank und Mitsubishi. Auf diese beiden setzt GPA nun alle Hoffnungen. Doch die Unternehmen haben zur Zeit selbst wenig Geld flüssig und wollen die verlangten 200 Millionen Dollar nicht alleine aufbringen. Jetzt rächen sich die aggressive Politik des Unternehmens und die eingegangenen hohen Kreditrisiken. Mögliche Investoren wie der US-Konzern General Electric sind genau wegen der ausstehenden Verbindlichkeiten zurückgeschreckt. Die Zeit drängt, da die Gläubigerbanken langsam die Geduld verlieren. Experten gehen davon aus, daß die Banken, sollten sie GPA übernehmen, die verschuldete Firma aufspalten werden – möglicherweise auf der Basis der verschiedenen Flugzeugtypen. Der prominent besetzte GPA- Aufsichtsrat hält sich verdächtig bedeckt. Einzig der ehemalige Boß des Chemieriesen ICI, Sir John Harvey-Jones, äußerste sich zu der absturzgefährdeten Flugzeugleasingfirma. „Ich mag Tony Ryan“, sagte er. „Deshalb habe ich den Posten angenommen. Der Unterschied ist allerdings, daß ich nicht der verdammte Vorsitzende bin. Es gibt genügend Leute, die sich den Schuldvorwurf mit mir teilen müssen.“ Ralf Sotscheck

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