: Flügelschlagen bei der GAL
■ Die Chance auf Wahlsieg sorgt für heftige Kämpfe hinter den Kulissen / Entscheidet der Krieg in Bosnien die Hamburger Bürgerschaftswahl?
hinter den Kulissen Entscheidet der Krieg in Bosnien die Hamburger Bürgerschaftswahl?
Den Grünen droht die größte stadtpolitische Herausforderung, der Sprung von den harten Oppositionsbänken auf den roten Filz der Regierungssessel. Deutlich mehr als 10 Prozent der Stimmen scheinen bereits gebongt, drei Senatsämter sicher. In der GAL-Geschäftsstelle stapeln sich Neueintritte, und viele grüne Karteileichen erwachen zu neuem Politleben.
Noch vor zwei Jahren hatten selbst kühnste grüne OptimistInnen daran nicht glauben können. Damals implodierte die „Grünalternative Liste“ (GAL). Eine taz-Trümmerschau im Frühjahr 1991 fand folgende Einzelteile: Ein kleines Grünes Forum (Realo-GAL), die Frauenfraktion im Rathaus, eine Alternative Liste (linksorthodoxe GALierInnen), die PDS (für verwirrte Alt-GALier), Jutta Dittfurths Ökosozis (ganz echte Fundis) und natürlich die Rest-GAL. Kurzfristig sah es so aus, als wollten sich alle diese Parteisplitter für die Bürgerschaftswahl bewerben.
Doch dann tauchte urplötzlich die „Wilde 13“ aus dem Nichts auf, eine kleine Gruppe GALierInnen, die das grüne Projekt retten wollten. Ihr Programm: Wiedervereinigung der Grünen. Innerhalb nur weniger Wochen gelang, was kaum ein politischer Beobachter für möglich gehalten hatte. Nur wenige Stunden vor Meldungsschluß für die Bürgerschaftswahl stimmte eine wiedervereinigte GAL (aus Frauenfraktion, Rest-GAL und Grünem Forum) einer bunt gemischten Einheitsliste zu.
Für einige übrig gebliebene Fundis war dies das Zeichen zum persönlichen Ausstieg. Zum Beispiel GAL-Gründerin Christina Kukielka, die damals erklärte: „Die Grünalternative Liste hat aufgehört zu existieren. Sie ist jetzt ein ganz profaner grüner Landesverband. Sie hat die Hoffnung auf gesellschaftliche Veränderung aufgegeben.“
Als am 2. Juni 1991 mit 7,2 Prozent gar der klare Einzug in die Bürgerschaft gelang, wobei sogar nur 1600 Stimmen für die Verhinderung der absoluten SPD- Mehrheit gereicht hätten, lagen sich die verschiedenen GAL-Splitter ökosekttrunken in den Armen. In der Sache war man sich einig: Konzentrierte Parlamentsarbeit sollte einen allmählichen Genesungsprozeß der grünen Partei begleiten. 1995 sollte die Heilung abgeschlossen sein. Doch schon in den letzten Monaten mehrte sich der Krach. Die Parteibasis, immer noch voller Mißtrauen gegenüber der bienenfleißigen Parlamentsfraktion, sah sich durch das Ja einiger Fraktionsmitglieder zu Militäreinsätzen in Bosnien bestätigt: Rechtsputsch!
Anders als bei der SPD, die alle Kräfte auf einen Wahlerfolg konzentriert, sammeln sich derzeit bei den Grünen wieder Strömungen. Einige haben Lust, die führenden grünen Rathausköpfe und BosnienkriegerInnen, Krista Sager und Michael Schmidt, abzustrafen. Schlecht verheilte Narben aus der Spaltungsära im Frühjahr 1991 brechen wieder auf. Ob die kommenden Monate grüne Flügelkämpfe oder grünen Wahlkampf bringen werden, ist nach Auskunft aller Strömungen „derzeit völlig offen“. Florian Marten
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