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„Mit einer Duldung nimmt dich keiner“

Die Zukunft der ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter ist weiterhin ungewiß / Innenministerium will lediglich befristete Duldung erteilen / Ausländerbeauftragte fordern Statusverbesserung  ■ Von Hella Kloss

Mitte. „Wir brauchen eine schnelle positive Entscheidung, sonst sind wir nervlich am Ende.“ Nach vier Abschiebestoppregelungen bestimmen Unsicherheit und Zweifel die Zukunft von Vo Cam Trang aus Vietnam. Sie ist eine von 3.500 in Berlin lebenden VertragsarbeiterInnen der ehemaligen DDR, die weiterhin hoffen, in Deutschland leben und arbeiten zu können. Die meisten von ihnen stammen aus Vietnam, einige auch aus Mozambique, Kuba und Angola. Die Arbeitsgemeinschaft der bezirklichen Ausländerbeauftragten machte gestern in einem Gesprächskreis auf die unhaltbare Lage der Betroffenen aufmerksam.

Auch die geplante Regelung des Bonner Innenministeriums gibt den Vertragsarbeitern wenig Anlaß zur Hoffnung. Statt der erhofften zweijährigen Arbeitsbefugnis soll den Betroffenen lediglich eine sechsmonatige Duldung zugesprochen werden, in der sie Zeit zur Arbeitssuche haben. Eine Arbeitsbefugnis soll nur dann ausgesprochen werden, wenn die Betroffenen von staatlichen Hilfen unabhängig sind. „Doch mit zwei bis drei Monaten Duldung nimmt dich keiner“, weiß Jose Reis aus Mozambique. „Zuerst sind die Deutschen dran, und dann die Ausländer mit einem besseren Aufenthaltsstatus“, klagt der seit November letzten Jahres Arbeitslose.

Man müsse befürchten, daß nur den 600 noch arbeitenden ehemaligen Vertragsarbeitnehmern die neue Regelung zu Gute kommt, meint Christine Bartels, Ausländerbeauftragte in Berlin-Mitte. Ausgenommen von der Regel seien außerdem Personen, die aus Unsicherheit nach der Wende einen Asylantrag in der Bundesrepublik gestellt haben. „Sie bleiben im Asylverfahren, doch die Anerkennungsquote bei Vietnamesen liegt momentan bei 0,4 Prozent“, bewertet Diedrich Wulfert, Ausländerbeauftragter in Hohenschönhausen, deren Erfolgsaussichten als sehr gering. Schlechte Karten haben auch die Arbeitnehmer, die bereits eine Rückkehrleistung in Anspruch genommen haben, auch für sie trifft die geplante Regelung nicht zu.

Eine der Hauptforderungen der Arbeitsgemeinschaft ist die Gleichbehandlung der Vertragsarbeiter mit den Gastarbeitern in den alten Bundesländern. Diese hatten nach altem Ausländerrecht eine befristete Aufenthaltsgenemigung erhalten, die jedoch in eine unbefristete umgewandelt werden konnte. Die Vertragsarbeiter erhielten nach der Wiedervereinigung jedoch nur eine Aufenthaltsbewilligung. Mit diesem Status sind viele Einschränkungen verbunden. So dürfen die Betroffenen nicht ihre Familie zu sich holen, und es ist ihnen nicht erlaubt, ein eigenes Gewerbe anzumelden.

Für Nam Hai aus Vietnam ist diese Regelung völlig unverständlich. Bis zum 31. Mai ist er noch bei der BVG als Wagenwäscher beschäftigt. Danach möchte der gelernte Koch am liebsten sofort einen Imbiß eröffnen, doch der Satz in seinem Pass „selbständige Erwerbstätigkeit ist nicht gestattet“ verhindert die Genehmigung. „Ich will keinen Pfennig vom Sozialamt, sondern sofort meinen Imbiß bewirten“ bekräftigt er. Nach Vietnam zurückzugehen, ist für ihn keine Alternative. Sein jüngster Sohn ist in Deutschland geboren, der andere ist hier zur Schule gegangen. „Was soll ich in Vietnam, mein ältester Sohn kann nicht mal mehr die Sprache“, meint er.

Doch Hai muß sich wie die insgesamt 5.000 noch verbliebenen ehemaligen Vertragsarbeiter weiter gedulden. Eine Innenministerkonferenz der Länder, die sich ursprünglich am 13. und 14. Mai mit der Problematik beschäftigen wollte, findet jetzt vermutlich erst am 26. Juni statt.

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