: Little New York im Neuköllner Columbiabad
■ Ein Bericht des Bezirksamtes Neukölln über die Badesaison 1992 im Columbiabad Sexuelle Belästigung an der Rutschbahn / Opfer der Banden verzichten oft auf Anzeigen
Neukölln. Im Anschluß an die Badesaison 1992 wurde unter Leitung des Neuköllner Bezirksstadtrates für Finanzen, Personal und Sport, Heinz Buschkowsky (SPD), eine fünfköpfige Arbeitsgruppe gebildet, die einen Bericht über die Vorkommnisse im Columbiabad zusammenstellte. Streckenweise liest sich das 30 Seiten lange Konvolut – wir dokumentieren Auszüge – wie ein Horrorszenario aus der New Yorker Bronx und ist zugleich ein (unfreiwillig) komisches Zeugnis deutscher Beamtenmentalität.
Neben Diebstahlsdelikten, von denen sich etwa 60 bis 80 auf Fahrraddiebstähle beziehen, und sexuellen Belästigungen wurden die Mitarbeiter und Badegäste unter anderem mit Gewalttätigkeiten und organisierter Gruppenkriminalität konfrontiert.
Die Aufrechterhaltung der Ordnung am und im Wasserbecken gestaltete sich (...) besonders schwierig. Trotz Sperre drangen immer wieder Jugendliche bis zur 10-m-Plattform vor und sprangen in das mit Badegästen gefüllte Becken.
Ein besonderes Problem (...) war das Auftreten geschlossener, organisierter Jugendgruppen, von denen gezielt kriminelle Handlungen ausgeübt wurden. (...) In der vergangenen Badesaison traten Jugendliche besonders aggressiv gegenüber anderen Badegästen und dem Personal auf. (...) Von den Jugendgruppen bedrohte Badegäste wurden zum Teil so weit eingeschüchtert, daß sie auf eine Anzeigenerstattung verzichteten.
Auch sexuelle Belästigungen wurden häufig aus dem Kreis der Jugendbanden ausgeübt, wobei die Einschüchterung der Opfer oft so weit ging, daß sie aus Angst das Schwimmbad nicht mehr besuchten. Die sexuellen Belästigungen erfolgten beispielsweise derart, daß 50 bis 60 Jugendliche den Auslauf der Rutschbahn sperrten, so daß es zu einem Stau in der Rutschrinne kam, wo dann die sexuellen Übergriffe vorgenommen wurden. Aber auch im Wasser war wiederholt das Einkesseln bzw. Umlagern von Mädchen zu beobachten.
Bei den Jugendbanden konnte beobachtet werden, daß diese bestimmte Gebiete innerhalb des Bades für sich in Anspruch nahmen und gegeneinander verteidigten. Dabei handelt es sich um Gruppen unterschiedlicher Nationalitäten, die sich in der Regel untereinander nicht mischen.
Die (...) eintreffende Funkstreife (...) konnte aufgrund der großen Menschenmenge keine polizeilichen Maßnahmen treffen (...)
In der Regel wurden die Täter meistens im Schutz ihrer jeweiligen Gruppen zwischenzeitlich über den Zaun oder durch den Ausgang aus dem Bad gebracht, und die verbliebenen Jugendlichen versuchten die Identität des Anzeigenden zu erfahren. Ein solcher Zeuge mußte, wenn er sich zu erkennen gab, aus Sicherheitsgründen unter dem Schutz der Polizei oder unseres Badepersonals aus dem Bad gebracht werden.
Da die Duschen für Damen und Herren nebeneinanderliegen, erregten die Damenduschen ein besonderes Interesse bei jugendlichen männlichen Besuchern. Die Duschsäulen ermöglichen mit der Fußaufstellvorrichtung und der Seitenablage einen Auftritt, um über die Trennwand Einblick in die Damenduschen zu nehmen.
Da die Rädelsführer und viele Mitglieder dieser Jugendbanden polizeilich bekannt sind, plant die Polizei (...) präventive Personenüberprüfungen innerhalb dieser Jugendgruppen im Columbiabad. taz
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