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: „Traumhochzeit“ auf Englands Medienmarkt

London (taz) – Die mit 202 Jahren älteste britische Sonntagszeitung ist dem Konkurs vorerst entgangen, nachdem die Firma Lonrho, der das Blatt seit zwölf Jahren gehört, einem Verkauf an den Guardian zugestimmt hat.

Der Preis soll bei 27 Millionen Pfund (ca. 67,5 Millionen Mark) liegen. Besonders froh ist man beim Observer, daß Lonrho das offenbar höhere Angebot des Independent ausgeschlagen hat. Der Independent erscheint nämlich im Gegensatz zum Guardian auch sonntags, steckt jedoch tief in den roten Zahlen.

Aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten mußte der Verlag 1991 jeweils 18 Prozent Anteile an die spanische El Pais und die italienische La Repubblica verkaufen. Um sich der Konkurrenz zu entledigen, wollte der Independent-Herausgeber Whittam Smith nun des Observer habhaft werden – um ihn dichtzumachen. Der Evening Standard schlagzeilte bereits: „Observer auf dem Totenbett.“ Die plötzlich wiederauferstandene Redaktion bedankte sich für die „ehrbare Art, mit der Lonrho nun die Fackel weitergereicht“ habe.

Die „Fackel“ brennt seit 1791. Der Zeitungsgründer W. S. Bourne war davon überzeugt, daß er mit seinem Sonntagsblatt im Handumdrehen ein wohlhabender Mann würde, geriet jedoch statt dessen an den Rand des Ruins. Nachdem der Observer in den folgenden 120 Jahren durch verschiedene Hände gegangen war, kaufte die Astor-Familie 1911 das Blatt und behielt es siebzig Jahre lang in ihrem Besitz. Nach der Rekordauflage von 900.000 Stück im Jahr 1979 – die Sunday Times hatte vorübergehend ihr Erscheinen eingestellt – ging es stetig bergab, so daß die Astors 1981 schließlich an Lonrho verkaufen mußten. Roland „Tiny“ Rowland, Hauptgeschäftsführer von Lonrho, mißbrauchte das Blatt jedoch für seine Geschäftsinteressen und fügte dem Ruf des Observer schweren Schaden zu.

Zur Zeit hat der Observer eine Auflage von einer halben Million Stück und macht zehn Millionen Pfund Verlust im Jahr. Die Übernahme durch den Guardian bezeichneten beide Blätter als „Traumhochzeit“. Jetzt muß nur noch das Kartellamt sein Ja-Wort geben.Ralf Sotscheck