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Interview"Eine Besetzung der Gedenkstätte wird weiterhin nicht geduldet!"

■ Kultursenatorin Christina Weiss zu dem Streit um die geplante Besetzung der Gedenkstätte Neuengamme durch die RCU

INTERVIEW

»Eine Besetzung der Gedenkstätte wird weiterhin nicht geduldet!« Kultursenatorin

Christina Weiss zu dem Streit um die geplante Besetzung der Gedenkstätte Neuengamme durch die RCU

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2Ihre Begründung für die Absperrung der Gedenkstätte Neuengamme liest sich so, als handele es sich bei der Roma und Cinti-Union um eine x-beliebige politische Gruppe. Ist das moralische Recht der Roma und Sinti dort zu demonstrieren nicht weit höher zu bewerten als geregelter Besucherbetrieb?

Kundgebungen und Protestveranstaltungen gehören zum Zweck der Gedenkstätte und finden dort auch statt, was sie davor bewahrt, ein rein musealer Ort zu sein. Sie muß auch eine Stätte der Auseinandersetzung sein können. Dieses moralische Recht führt aber nicht dazu, daß die Stadt eine - gesetzwidrige - Besetzung einfach hinnimmt, schon gar nicht nach der 89er Erfahrung, wo die Gedenkstätte wochenlang brachlag. Fazit: Demonstrationen, Gedenkveranstaltungen, Kundgebungen - ja, Besetzung - nein. Und wer die Gedenkstätte ernst nimmt, hat selber ein Interesse daran, daß sie trotz etwaiger Veranstaltungen für das breite Publikum geöffnet bleibt. Eine Gedenkstätte ohne Publikum besteht nur noch aus Steinen in der Landschaft. Es kann nicht heißen: Besucherverkehr oder Protestaktion, sondern nur beides neben- und miteinander.

Hätten Sie, im Falle, daß Juden dort mit einer spektakulären Aktion auf die Folgen deutscher Asylpolitk hätten hinweisen wollen, ebenso reagiert?

Die spekulative Frage unterstellt, daß der Senat zwischen Opfern erster und zweiter Klasse unterscheidet. Das tut er natürlich nicht. Lassen sie mich die Gelegenheit aber für den Hinweis nutzen, daß die Roma und Sinti umso verzweifelter sind, da sie tatsächlich nur über sehr wenig Lobby oder Interessenvertretung verfügen. Umso betrüblicher ist es, daß hier eine Aktionsform gesucht wurde, die eine Solidarisierung aus dem politischen Raum erschwert. Doch das gehört ja auch zu den klugen publizistischen Instrumenten Kawczynskis.

Welcher politischer Schaden wäre im Fall einer Erlaubnis denn entstanden?

Bekanntlich wird in Hamburg eine illegale Besetzung nach 24 Stunden geräumt. Deswegen habe ich ja versucht, im persönlichen, vermittelnden Gespräch auf eine andere Form als ausgerechnet eine Besetzung hinzuwirken.

Hätte man nicht weit nachdrücklicher vermitteln müssen?

Herr Kawczynski war nicht bereit, von der Absicht zu besetzen, abzugehen. Wir haben Alternativorte für eine Demo angeboten - u.a. den Platz der Deportierten - , aber er wollte, wie er sagte, den Knalleffekt provozieren. Ich finde es für die Erinnerung an die Toten entwürdigend, wenn eine Gedenkstätte auf diese Weise zum Verhandlungsmittel wird.

Hat nicht gerade eine deutsche Kultursenatorin die historische Pflicht, mit den Nachkommen der Verfolgten des Naziregimes außergewöhnliche Rücksicht walten zu lassen?

Die hat sie; und auch die Pflicht, sich nicht mit angekündigter Gewalt die Duldung einer illegalen Aktion abpressen zu lassen, mit der eine Gedenkstätte ihrem Publikum genommen wird. Gerade bei diesem hochsensiblen Thema sollte man zwischen legal und illegal differenzieren können, zwischen dem, was die staatliche Seite zulassen kann und nicht. Schade, daß Kawczynski mit seinem Vorgehen der Stadt die Gelegenheit nimmt, sich für ihn einzusetzen.

Wie werden Sie weiter vorgehen?

Die RCU hat sich mit der Polizei auf eine 14tägige Mahnwache in der Nähe der Gedenkstätte geeinigt. Eine Besetzung wird weiterhin nicht geduldet. Fragen: Till Briegleb

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