„Fünf ist Trümpf!“ Von Michaela Schießl

Wissen Sie eigentlich, wo Sie, PR- mäßig betrachtet, gerade sind? Was Sie taten, als Sie vergangene Woche arglos das neues Postleitzahlenbuch, das so heimatlos auf ihrem Fußabstreifer lag, mit in die Wohnung nahmen? Sie sind zum willenlosen Opfer der Werbestrategen geworden. Wahrscheinlich sind Sie auch noch hochmotiviert, die neuen Zahlen zu benutzen. Aber trösten Sie sich: Sie hatten keine Chance. Die Post nämlich hat völlig überraschend diesmal nichts dem Zufall überlassen. Als „leistungsfähiges, modernes Unternehmen“ hat sie Manipulations-Profis engagiert. Die Hamburger Werbeagentur Lintas soll die Bundesbürger postleitzahlenmäßig auf Fünfer-Trab bringen. So entwarfen die Reklamisten einen Drei-Stufen-Plan. Im Sommer 1992 startete: die Akzeptanzphase. Per TV-Spots und Magazinanzeigen wurden die Verbraucher sanft an den unerträglichen Gedanken einer Postleitzahlenänderung herangeführt. Kaum hatte man sich an die Idee gewöhnt, wurde prompt erklärt, warum — Februar 93, Stufe zwei, Informationsphase: Die sei nötig, um dem gefürchteten Volkszählungseffekt zu entgehen. Keiner soll sich fürchten vor den harmlosen Neuen, im Gegenteil: Der Nation muß die Notwendigkeit deutlich gemacht werden! Immerhin ist die Wiedervereinigung schuld an dem Chaos, wegen der über 800 doppelten Postleitzahlen. Deshalb wurde das gerade geeinte Land postalisch wieder in O und W getrennt. Eine Mauer aus Zahlen! Die Mauer muß weg!

So entwarf Lintas doppelseitige Anzeigen, die fünf überdimensional große Ziffern auf deutschen Landschaften zeigen, begleitet von dem Spruch: „Neue Postleitzahlen am Morgen vertreiben Kummer und Sorgen.“ Wer kann dieser Message widerstehen? Neue Zahlen braucht das Land! Alle kapiert? Dann nichts wie weg vom „wir brauchen“, hin zum „wir wollen“: Stufe drei, die Motivationsphase. Sie begleitet uns seit Mai bis zur Deadline am 1. Juli. Unbändig soll bis dahin Volkes Lust zur neuen Nummer werden. Deshalb hat Lintas einen Lustspender entwickelt, der zur Post paßt wie Faust auf Auge: Eine Comicfigur mit dem phantastischen Namen Rolf. Lintas beschreibt Rolf als „fünf Finger einer agilen Hand mit aufgewecktem Gesicht“. In Wahrheit ist Rolf ein erhobener Zeigefinger. Der auch den Dümmsten ermahnen soll, auf allen Kanälen, auf T-Shirts, als Spielzeug, als Gummibär. „Fünf ist Trümpf“, lautet der ausgefuchste Promotion-Reim des Zeigefingers, der sich mit der Zeit immer strafender aufrichtet. Denn wehe, wenn der Bürger nicht mitmacht beim Nummernspiel: Schon ein Prozent falscher Postleitzahlen kostet die Post Millionen. Und die einzige Strafe ist: langsamere Beförderung des Briefes oder Rücksendung. Ein Strafporto wird nicht fällig für den Postleitzahlenverweigerer – endlich eine Möglichkeit für alle Posthasser, den Gelben alles zurückzuzahlen, was sie einem angetan haben an unzähligen Postschaltern. Noch mehr Sorgen macht sich die Post allerdings wegen Tausender sparsamer Schwaben, die noch Briefumschläge haben mit aufgedruckter Adresse. Niemals werden sie sie einfach wegwerfen, weiß die Post und empfiehlt Stempel mit der neuen Postleitzahl – „Stück kostet nur 3,50“.