: Abtreibung ohne Geld von der Kasse?
■ Karlsruhe entscheidet am 28. Mai über Abtreibungsrecht
Berlin (taz) — Das Bundesverfassungsgericht wird kommenden Freitag, passend zum Pfingstwochenende, endlich sein Urteil zum neuen Abtreibungsrecht bekanntgeben. Damit reiht sich das Karlsruher Urteil, das längst schon als „Jahrhundert-Entscheidung für Frauen“ gehandelt wird, ein in die Woche der bundesdeutschen Polit- Termine. Asylkompromiß und Solidarpakt stehen am Mittwoch auf dem Programm der Bonner ParlamentarierInnen. Die Abstimmung über erweiterte Frauenrechte in der Verfassung ist auf Donnerstag terminiert. Unabhängige Richter plus Richterin scheinen wohlkalkuliert und höchst politisch zu terminieren.
Sieben Anträge zur Änderung des § 218 lagen dem Bundestag im vergangenen Sommer zur Abstimmung vor. Mit großer Mehrheit, verabschiedeten die ParlamentarierInnen im Juni den von SPD und FDP ausgearbeiteten Gruppenantrag einer modifizierten Fristenregelung mit Zwangsberatung. Die Novelle sieht vor, daß der Abbruch einer Schwangerschaft in den ersten drei Monaten „nicht rechtswidrig“ ist, wenn sich eine Frau mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen. Kaum hatte der Gesetzentwurf Bundestag und -rat passiert, legten 249 Unionsabgeordnete (mehr als 200 von ihnen sind männlichen Geschlechts), und das Land Bayern Klage beim Verfassungsgericht ein. Beide halten die Neuregelung für verfassungswidrig. Bayern will außerdem die Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen durch die Krankenkassen verbieten. Darüberhinaus entscheidet das Gericht auch über die Bayern- Klage von 1990 gegen die soziale Indikation.
Auf Antrag der Kläger hatte das Gericht im August vergangenen Jahres die Abtreibungsreform mit einer einstweiligen Anordnung gestoppt. Seitdem gilt in den alten Bundesländern weiterhin die Indikationsregelung, in den neuen die 1971 in der DDR eingeführte Fristenregelung ohne Beratungszwang.
Nach Einschätzung von BeobachterInnen ist davon auszugehen, daß das Bundesverfassungsgericht die Novelle korrigieren wird: Danach blieben Schwangerschaftsabbrüche — entgegen der Ansicht der Bundestagsmehrheit — rechtswidrig, wären jedoch straflos. Die mögliche Folge eines solchen Urteils wäre, daß gesetzliche Krankenkassen Schwangerschaftsabbrüche in Zukunft nicht mehr finanzierten und für eine Frau die abtreibt, keine Ansprüche auf Lohnfortzahlung mehr bestünden.
Nordrhein-Westfalens Gleichstellungsministerin Ilse Ridder- Melchers forderte gestern alle Frauen auf, sich am Tag der Entscheidung vor den Rathäusern ihrer Städte zu versammeln. Ihr Apell: „Dies wird eine Jahrhundert-Entscheidung, da dürfen Frauen nicht schweigen.“ flo
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