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Lodenmantel statt Gore-tex

■ Verbraucherschützer wollen Aufklärung über Chemietextilien

Eine „Ökobilanz für High- Tech-Kleidung“ fordert die Bremer Verbraucherzentrale. Da inzwischen immer mehr Mikrofasern in Kleidungsstücken verarbeitet würden, so Inse Lammers von der Verbraucherzentrale , spiele der Kunststoffanteil in der Kleidung eine „wesentliche Rolle“.

Weltweit machen nach Angaben des „Wissenschaftsladens Bonn“ synthetische Chemiefasern fast die Hälfte der Textilproduktion aus. Doch kaum jemand weiß etwas über die Belastungen von Umwelt und Gesundheit bei Produktion, Nutzung und Entsorgung von Chemiefasern in unseren künstlichen Häuten.

Im Durchschnitt verbrauchen die Deutschen 23 Kilo Kleidung pro Jahr. Insgesamt landen nach Schätzungen des Umweltbundesamtes Berlin 400.000 Tonnen Textilien jährlich im Müll. Während Naturfasern auf der Deponie größtenteils problemlos sind, gibt es keine genauen Daten über das Verhalten von chemischen Stoffen in Kleidungsstücken. Mit der Forderung nach einer Öko-Bilanz wollen die Verbraucherschützer die Textilproduzenten zwingen „sich zum erstenmal überhaupt Gedanken über die möglichen Umweltprobleme zu machen.“

Das bekannteste Beispiel in diesem Zusammenhang ist das Material „Gore-Tex“, eine wasserabhaltende Kunststoffmembran, die in Regenkleidung verarbeitet wird. Das Material ist eigentlich ungefährlich, doch bei der Produktion des verarbeiteten Teflons können giftige Gase entstehen. Probleme kann „Gore-Tex“ aber vor allem bei der Beseitigung machen: wird es verbrannt, entstehen aus einem einzigen Anorak Flußsäure und Perfluorbuten, die 20.000 Kubikmeter Luft verseuchen können.

Trotzdem gehört der alte Gore- Tex-Anorak nicht in den Sondermüll. In Müllverbrennungsanlagen werden die Schadstoffe durch Filter zurückgehalten oder durch die hohen Temperaturen von 1000 Grad vermieden. Doch bei Verbrennung bei niedrigen Temperaturen können hochgiftige Stoffe entstehen.

Die Firma „Gore“ in München entwickelt deshalb für ihre Produkte ein Recycling-System: In dem „Balance Project“ sollen ab Juni Kleidungsstücke zurückgenommen, die Materialien getrennt und entsorgt werden. Auch arbeiten die bayerischen Textilhersteller an der Erstellung einer Öko-Bilanz für ihre Kleidung. „Gore-Tex ist nicht der große Buhmann,“ meint denn auch Inse Lammers. „Es geht uns darum, eine generelle Diskussion über die Ökobilanzen von Kleidung zu beginnen.“

Oft ist Freizeitbekleidung „viel wasserdichter als nötig“, heißt es in der Zeitschrift „Unabhängiger Gesundheitsberater“. Eine umweltverträgliche Alternative sind gewalkte Wolljacken, gefilzte Textilien oder Lodenstoffe. Aber wer trägt die schon.

Bernhard Pötter

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