■ Wir lassen lesen
: „Nur so eine Phrase“

Dietmar Beiersdorfer, Manndecker vom SV Werder Bremen, hält die „Toleranzgrenze unserer ausländischen Mitbürger [...] durch unfaßbares und im höchsten Maße menschenunwürdiges Verhalten in und außerhalb unserer Stadien, das sich unter anderem in Schmährufen und Beschimpfungen äußert, [für] längst überschritten.“ Richard Golz, Torsteher des Hamburger SV, kann sich — obwohl eigentlich eine schöne Idee — „nicht vorstellen, daß die Vereine tatenlos zusehen würden, wenn Linksradikale ganze Blöcke bevölkerten und die Internationale sängen.“ Alfred Nijhus, niederländischer Defensivmann in Diensten des MSV Duisburg, fordert zu Reflexionen darüber auf, „wieviel Rohstoffe, Teilprodukte für die Weiterverarbeitung in der Chemie- und Autoindustrie, Lebensmittel, Heilmittel usw. aus der Dritten Welt kommen.“ Und Souleymann Sané, wuseliger senegalesischer Stürmer bei der SG Wattenscheid, stellt richtig fest: „Viele Menschen hier in Deutschland sind sehr verschlossen — schon ihren Nachbarn gegenüber und erst recht gegenüber Ausländern.“

Die vier Balltreter kommen in dem jetzt erschienenen Buch Fußball und Rassismus zu Wort, wobei der herausgebende Göttinger „Verlag Die Werkstatt“ auf die Feststellung Wert legt, „daß die Kicker sich ohne Unterstützung durch ,Ghostwriter‘ äußerten, sondern selbst zur Schreibmaschine griffen.“

Die — obwohl als solche nicht explizit formulierte — zentrale These des aus Fußballern, Sport- und Politikjournalisten bunt gemischten Autorenkollektivs lautet: Der anhaltende Rassismus auf den Rängen, den insbesondere die farbigen Fußballer in der Bundesliga jeden Samstag aufs neue hautnah spüren, ist kein isoliertes Phänomen, sondern vielmehr Ausdruck der Tatsache, daß Ausländerfeindlichkeit, Chauvinismus und Nationalismus gesellschaftlich längst salonfähig geworden und in den Vorstandsetagen der meisten Liga-Clubs ebenso zu Hause sind wie auf den Funktionärsebenen des Deutschen Fußball-Bundes. Vor allem dort, denn „wenn es eine Institution gibt, die einem einigermaßen liberalen und aufgeklärten Menschen den Fußball zuweilen echt verleiden kann, dann ist dies niemand geringeres als die DFB-Führung [...], auch und gerade aufgrund ihrer stramm deutsch-nationalen Ausrichtung, gepaart mit einer unsäglichen Arroganz und Ignoranz“, schreibt Dietrich Schulze-Marmeling.

Daß der im vergangenen Dezember von DFB nach langem Zaudern beschlossene bundesligaweite Aktionstag „Friedlich miteinander — Mein Freund ist Ausländer“ eine tatsächliche Wende im Denken der Verbands-Fürsten bedeutet hat, wird in verschiedenen Beiträgen des Buches begründet bezweifelt. Richard Golz nennt die Kampagne gar „eine Alibi-Aktion“, der Werderaner Uwe Harttgen „nur so eine Phrase“.

Das Buch, und dies ist ein Schwachpunkt, analysiert den politisch wenn schon nicht ausdrücklich gewollten, so doch geschürten Rassismus im Sport indes nicht weiter und beläßt es im wesentlichen beim Beschreiben seiner Auswirkungen. Die übrigens nicht nur in der Bundesrepublik zu spüren sind, sondern, wie sachkundige Blicke über die Grenzen belegen, unter anderem auch in England und den Niederlanden.

Als unterstützenswerte Schritte gegen den nationalistischen Trend im Fußball werten die AutorInnen außer dem Engagement kritischer Stars vor allem unabhängige Fan-Projekte sowie von einigen Vereinen — Dortmund, Kaiserslautern, St.Pauli — selbst inszenierte oder geförderte Initiativen. Deren Auswahl erscheint etwas willkürlich: während den „St.Pauli-Fans gegen Rechts“ ein ganzes Kapitel gewidmet ist, bleiben entsprechende Bemühungen etwa aus Freiburg unberücksichtigt.

Ein recht nützlicher Anhang vermittelt Interessierten Kontakte zu Fan-Projekten und gibt — wenn auch in etwas unübersichtlichen Tabellen — Auskunft über die Anzahl ausländischer Spieler bei deutschen Bundesligaclubs. Reimar Paul

„Fußball und Rassismus“, Verlag Die Werkstatt, Göttingen 1993, 272 S., 24 DM