: Drogen?
■ Eltern-Treffen in Tenever
„Wenn du nicht zur Schule gehen willst, bitte! Ich schreibe dir keine Entschuldigungen mehr.“ Bis Frau M. aus Tenever diesen Satz zu ihrem drogenabhängigen Sohn sagen konnte, hat es vieler Abende im „Elternkreis drogenabhängiger Jugendlicher“ in Bremen Mitte bedurft. „Es nützt ja nichts, wenn ich meinem Sohn alle Steine aus dem Weg räume“, weiß Frau M. heute.
Frau M. wohnt seit fast 15 Jahren in der Hochhaussiedlung Tenever. Rat hat sie bislang jedoch im Mittwoch-Treff in der Graf- Moltkestraße in Bremen Mitte gefunden. Dort sitzen die Eltern, meist Mütter, manchmal bis auf den Flur hinaus. Jetzt baut Frau M. auch in Bremen Ost einen Elternkreis auf. Sechs Mütter treffen sich im Arbeitslosen- Zentrum in der Wormser Straße 9 jeden ersten und dritten Dienstag im Monat. Doch die Schwellenangst ist hoch, zumal in Tenever. Besonders die türkischen Familien, so Sozialarbeiter Eberhard Goß, versuchen, die Drogenabhängigkeit eines Sohnes möglichst lange geheimzuhalten.
Drogenszene in Tenever? Die TeneveranerInnen hängen das Problem eher niedrig — „genausoviel wie in anderen Stadtteilen auch“, sagen sie. Sie haben so ihre Erfahrungen mit Presseberichten gemacht: Vor drei Jahren hatte ein Fernsehbericht getönt, daß jeder zweite Teneveraner an der Nadel hänge. Die SozialarbeiterInnen rieben sich damals verwundert die Augen — „Ist das Problem an uns vorbeigegangen?“ Die Polizei argumentierte: Die Menge der Autodiebstähle, eine typische Beschaffungskriminalität, weise auf eine hohe Zahl von Drogenabhängigen hin. Reaktion des Stadtteils: Jede Schule behauptete, drogenfrei zu sein.
Erst allmählich robbten sich die TeneveranerInnen an das Problem Sucht heran und stellten fest: Mehr als Heroin ist der Alkohol die Droge des Stadtteils. „Naja, einen Millimeter dramatischer ist die Drogensituation vielleicht doch in Tenever“, gibt Joachim Barloschky vom Amt für Soziale Dienste Ost zu. Ein gewisser Zusammenhang mit den geringen Perspektiven der Leute in Tenever sei ja nicht zu leugnen — „ein Drittel lebt von der Sozialhilfe“.
Eine offene Szene allerdings gibt es nicht in Tenever, höchstens stehen mal vier Leute an bestimmten Ecken. Der Stoff wird vor allem in Privatwohnungen verkauft. Während die Junkies am Sielwall längst aus allen sozialen Bindungen herausgefallen sind, leben viele der Teneveraner Junkies noch zu Hause, arbeiten gar.
Diese Junkies haben sich auch nie in der Drobs im Viertel sehen lassen. Doch in die neue Beratungsstelle Ost, derzeit noch „zwischengelagert“ im Volkshaus in Walle, kommen die Klienten und ihre Angehörigen. Und sie halten sogar ihre Termine ein — „erstaunlich“, findet der Sozialarbeiter diese Bereitschaft zur Mitarbeit. „Die haben eben noch was zu verlieren, Arbeit und Wohnung zum Beispiel.“ Händeringend sucht die Beratungsstelle derzeit noch nach einem Raum in Tenever. Doch „irgendwie“, so Goß, ist bislang noch jede Zusage wieder zurückgezogen worden. cis
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