Sanssouci
: Nachschlag

■ "Zabawa" von Slavomir Mrozek im Theaterforum Kreuzberg

Die Angst bestimmt das Handeln in Mrozeks kurzer Groteske, Angst schafft hier Gewalt, aus der Angst heraus werden Unschuldige zum Sündenbock gestempelt. Drei Männer erfahren, was es heißt, im „luftleeren“ Raum zu schweben, sich allein zu fühlen und dadurch bedroht. Denn: Zabawa hätte sein sollen, aber Zabawa ist nicht da.

Vor allem bei der polnischen Landbevölkerung ist der schwer übersetzbare Begriff „Zabawa“ beliebt und gebräuchlich. Er steht für Tanz, Musik und Feste, für Fröhlichkeit, Kinderglück und ausgelassenen Lärm. Gelegenheiten für eine Zabawa lassen sich viele finden, und wenn sie ansteht, will jeder dabeisein. So auch die Knechte S, N und B bei Mrozek und im Theaterforum Kreuzberg. Noch ganz voller vorfreudigem Erwarten rütteln die drei Freunde (Jakob Dobers, Klaus Hänscheid, Horst Vogelsang) an der Tür, hinter der die Zabawa schon langsam ihrem Höhepunkt zueilen sollte. Nur – als sie sich endlich Zutritt verschafft haben, ist der Raum leer. Die Knechte versteifen sich darauf: Hier war Zabawa angesagt, hier also muß auch Zabawa sein. Vielleicht wollten die Feiernden die drei nicht dabeihaben und warten nur darauf, daß sie wieder weggehen? Und wenn sie einfach nur nicht da wären? Das kann nicht sein, denn „wenn sie nicht da wären, hätten sie doch nichts gegen uns haben können“.

Immer absurder werden die Dialoge, verzweifelter und aggressiver. Nicht umsonst wird der Autor und Karikaturist Mrozek oft mit Beckett verglichen – mit dem einen Unterschied, daß er sehr viel politischer dachte und schrieb. Seine Stücke verstecken Gesellschafts- und Systemkritiken so deutlich, daß in Polen jedermann wußte, was gemeint war, aber auch so allgemein, daß sich seine Stücke locker auf andere Verhältnisse übertragen lassen. Zabawa ist bei Mrozek viel mehr als nur ein Fest, es ist Synonym für Freiheit, Gerechtigkeit, für das persönliche Glück und für Versprochenes, das nicht eingehalten wird.

Die Stärke in Jobst Langhans' Inszenierung liegt in der psychologisch genauen Ausarbeitung der Figuren un deren Persönlichkeitsstrukturen: Der eine übernimmt so etwas wie die Führung der drei Alleingelassenen, hat aber außer Brüllereien und gespielter Überlegenheit nichts zu bieten. Der zweite ist nervös, zappelig, servil und hängt sein Fähnchen immer dorthin, wo der frischeste Wind weht. Der dritte quengelt, hat nah am Wasser gebaut, ist eine Art Riesenbaby in zu kurzem Anzug, das egoistisch einfordert, was nicht zu bekommen ist. Die drei schaukeln sich hoch, spielen absurdeste Komik aus, bis dann im zweiten Teil alles kippt und die Stimmung mörderisch wird. Jobst Langhans setzt voll auf die konstruierte Psychologie dieser Figuren und auf das, was im Kopf des Zuschauers entsteht. Was für ihn Zabawa ist, muß er selbst für sich finden und fühlen. Und das gelingt auch, die Spannung und Verzweiflung von der Bühne überträgt sich nach vorn. Trotzdem hätte es dem Abend sicherlich nicht geschadet, hier und da ein wenig konkreter zu werden, ohne dabei platt- moralisch zu sein. Mrozeks Stück jedenfalls eignet sich dafür ausgezeichnet. Und Angriffsfläche für das Theater bietet das derzeitige Deutschland ja wohl genug. Anja Poschen

Donnerstags bis Sonntags, 21 Uhr, im Theaterforum Kreuzberg, Eisenbahnstraße 21.