: Universität Heidelberg plündert Sondertopf
■ Wissenschaftliche Hilfskräfte (Hiwis) müssen reihenweise gehen
Berlin (taz) – Die Uni Heidelberg hat kein Herz für Hiwis. Reihenweise entläßt man dort wissenschaftliche Hilfskräfte, die oft unersetzbar für den universitären Lehrbetrieb sind. Die Ruprecht- Karls-Universität plündert ausgerechnet einen Sondertopf des baden-württembergischen Wissenschaftsministeriums, aus dem zusätzliche HilfswissenschaftlerInnen finanziert und die Lehre verbessert werden sollte. Die Erhöhung der Hiwi-Zahlen an den Unis ist Inhalt sämtlicher Reformpapiere vor dem Bildungsgipfel im September.
75,8 Millionen Mark hatte der Wissenschaftsminister Klaus von Trotha im Musterländle bereitgestellt. „So viel Geld wie noch nie“, so Trothas Sprecherin Heike Ströle-Bühler, hauptsächlich zu verwenden für Hiwis, TutorInnen und MentorInnen. Pikanterweise sollte das Geld ein finanzielles Anreizsystem für besonderes Engagement in Lehre und Forschung sein. Der Ansporn ging an der Ruprecht- Karls-Universität nach hinten los. Die Uni hält ein Viertel der Mittel zurück. Die Folge ist eine Welle nicht verlängerter Hiwi-Verträge, die häufig nur Laufzeiten von wenigen Monaten haben. Eine „höchst unglückliche Situation", weiß auch Rektor Peter Ulmer. Es werde einen Nachschlag geben, kündigte er an. Aber die Universität müsse eine Mittelsperre des Landes von 4 Millionen Mark erwirtschaften.
Rektor und Universität haben leichte Beute. Hilfswissenschaftliche Mitarbeiter laufen im Haushalt unter „Sachmittel“. Der Versuch, erstmals bundesweit einen Tarifvertrag für Hiwis in Kraft zu setzen, war erst im März gescheitert. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder weigerte sich, den bereits ausgehandelten Tarifvertrag zu unterzeichnen, allen voran Baden-Württemberg und Bayern. In Heidelberg bringt das nun angesichts der Mittelkürzungen im Ländle höchste Unsicherheit für die 800 Hiwis. Eingespart wird „genau da, wo die Leute ohne Tarifvertrag sind“, sagte die studentische Senatorin Kirsten Pistel.
Gestern (Mittwoch) abend bilanzierten die Hiwis die Situation auf einer Vollversammlung in der Neuen Uni. Die Physik versucht – so Physikrefernt Christian von Platen zur taz – „ihr Pflichtprogramm irgendwie aufrechtzuerhalten“. Die Professoren zahlen einen Teil der Hiwis erst mal aus der eigenen Tasche.
Die Studienberatung in Philosophie fällt an der Ruprecht-Karls- Uni künftig weitgehend aus. An den anderen Universitäten im Südwesten ist die Situation besser. Weder die Uni Freiburg noch Konstanz sparen bei den Hiwis. „Das gäbe einen Riesenskandal bei den Professoren“, sagte Personalratsvorsitzende Anga von Bismarck. „Nicht weil sie die Hiwis lieben, sondern weil die für sie arbeiten.“ Christian Füller
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