: Freundschaftsspiel statt Klassenkampf
■ Beim Bundesliga-Nordderby geht es für Bremen um die Deutsche Fußball-Meisterschaft und für den HSV um nichts / Gastgeschenke haben Möhlmann und seine Mannschaft für den Titelaspiranten Werder...
geht es für Bremen um die Deutsche Fußball-Meisterschaft und für den HSV um nichts / Gastgeschenke haben Möhlmann und seine Mannschaft für den Titelaspiranten Werder trotzdem nicht eingeplant
Am 14. Februar 1932 gab Erwin Seeler, mehrfacher Nationalspieler im Arbeiterfußball, sein Debut beim bürgerlichen Verein FC Victoria. Aus Erwin wurde fortan Herr Seeler und dieser, das war Ehrensache in seinem Wohnviertel am Großneumarkt, nicht mehr gegrüßt. Für seine früheren Freunde im Arbeitersport hatte Erwin Seeler, der Vater von „Uns Uwe“, die Klasse verraten. Das SPD-Organ „Hamburger Echo“ kommentierte trotzig: „Lorbeer und auch die Bewegung aber weinen Euch keine Träne nach. Wir sind eine Massenbewegung und keine Kanonenzuchtanstalt“. Das „Euch“ stand für Mittelfeldspieler Springer, der ebenfalls wechselte.
60 Jahre später hat die SPD so wenig mit Bewegung und Arbeitern zu tun wie der Großneumarkt mit Underground und Fußball mit Gesinnung. Heute, genauer am Sonnabend um 15.30 Uhr, spielen Angestellte gegen Angestellte. Also der Hamburger Sportverein beim SV Werder in Bremen. Da verschwimmen die Grenzen — um den Pressesprecher des HSV, Kurt Emmerich zu zitieren, „die, nennen wir es mal Freundschaft zwischen den beiden Vereinen ist ja relativ groß“. Dazu kommt, daß der Norddeutschen ärgster Feind Bayern München durch eine Niederlage der Rehhagel-Schüler faktisch zum Meister gekürt würde. Das Ergebnis der Begegnung im Weserstadion ist für Frank Rohde und seine Crew hingegen so bedeutsam wie ein Automobil der Marke Trabant für den Straßenverkehr.
Gegen einen süddeutschen Meister hätte sicher auch HSV-Trainer Benno Möhlmann, wohnhaft in Bremen, Oberneuland, und Wer-
1der-Kapitän bis zu seinem Wechsel 1987 an den Volkspark, etwas einzuwenden. Ebenso Marinus Bester, der dem Bremer SV gehört und den Hanseaten nur bis Juni 1993 geliehen wurde. Glänzt er im Spiel zu sehr, vermasselt er sich und dem SV Werder Bremen die Europapo-
1kal-Teilnahme. Nordderby hin, Ehrgeiz her, kommt da keiner ins Grübeln? Den offiziellen Verlautbarungen zufolge nicht. Emmerich, Möhlmann, Bester verkünden unisono, daß sie Profis seien. Und das Team „alles tun werde, um in Bremen gut auszuschauen“, ist sich zu-
1mindest Emmerich sicher. Merke: Gespielt wird für den, der bezahlt. Freundschaftliche Gefühle sind unprofessionell. So ehrlich, so gut.
Der Mythos von den echten Kameraden, elf Freunde und so, bleibt da natürlich auf der Strecke. Wie gut für die Emotionen, daß es
1die Bayern gibt. Im Falle einer HSV-Niederlage werden sich die Fans der Rot-Weißen auf jeden Fall mit denen der Grün-Weißen darüber freuen, gemeinsam den Lederhosenträgern eins ausgewischt zu haben. Kein Grund zum Weinen also. Claudia Thomsen
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