piwik no script img

Kambodschas Prinz Sihanouk: Regierung ohne Rote Khmer!?

■ Heute gehen die Wahlen in Kambodscha zu Ende / Mehr als 90 Prozent stimmten ab / Überraschend friedlicher Verlauf

Bangkok (taz) – In Kambodscha wurde gewählt – und noch ist völlig unklar, wie die Bevölkerung abgestimmt hat. Heute schließen die letzten mobilen Wahlstationen, die in die abgelegenen Regionen des Landes gesandt wurden. Auch in den vergangenen Tagen kam es noch zu vereinzelten Zwischenfällen – in der Provinz Siem Reap wurde gestern ein Wahlbüro beschossen, wobei ein UN-Soldat aus Bangladesch verletzt wurde. Vermutlich waren die Täter Rote Khmer, für einige der Angriffe könnten aber jedoch bewaffnete Banden ehemaliger Soldaten verantwortlich sein. Insgesamt verlief die Wahl überraschend friedlich, mit einer Rekordbeteiligung von über 90 Prozent der 4,7 Millionen Wahlberechtigten.

Bereits vor der Stimmenauszählung, die bis Anfang Juni abgeschlossen sein soll, begannen sich die wichtigsten politischen Akteure auf mögliche Koalitionsverhandlungen vorzubereiten. Übergangsstaatschef Prinz Norodom Sihanouk änderte wieder einmal seine Meinung: Hatte er bisher den Roten Khmer noch die Tür zur Zusammenarbeit aufgehalten, erklärte er am Mittwoch: „Ich gebe meine Idee auf, sie in eine Regierung der nationalen Union und Versöhnung einzubeziehen.“

Der Prinz ein paar Stunden später: „Ich gebe endgültig meinen Vorschlag zur Bildung einer Vier- Parteien-Regierung unter Einbeziehung der Partei des Demokratischen Kambodscha (Rote Khmer) auf.“ Dann korrigierte sich Sihanouk: Er werde diese Frage wohl besser der Mehrheitspartei in der künftigen Nationalversammlung überlassen.

Warum die Roten Khmer ihre Drohung, die Wahlen mit Gewalt zu verhindern, nicht wahr gemacht haben, ist bislang völlig unklar. Die Kambodschanische Volkspartei (CCP) von Premierminister Hun Sen und die FUNCINPEC unter Prinz Sihanouks Sohn Ranariddh hatten diese Drohung für ihre eigene Propaganda weidlich ausgenutzt: Die Roten Khmer, so erklärten beide, seien an Frieden und Demokratie nicht interessiert. Hun Sen ergänzte, daß nur seine Volkspartei und „seine“ Volksarmee stark genug seien, die Truppen Pol Pots, deren Stärke sie mit 15.000 Mann angeben, in Schach zu halten.

Angeblich haben sogar 500 Rote Khmer im Grenzbereich zu Thailand, in der Nähe des Ortes Poipet, ihre Stimmen abgegeben. Zeugen: thailändische Beobachter. Ob es sich tatsächlich um Anhänger Pol Pots gehandelt hat und wie diese ihre Wahlberechtigungskarte erhalten haben, ist nicht nachzuweisen. Sicher ist aber, daß Thailand, vor allem dessen Militär, daran interessiert ist, weiter Geschäfte mit den Roten Khmer zu betreiben.

„Bis zu 85 Prozent der Stimmen, mindestens aber 65, erhalten wir“, jubelt verfrüht der FUNCINPEC- Führer, Prinz Norodom Ranariddh. Dessen Parteisprecherin Marina Pok war sich schon Tage vor der Wahl sicher, daß ihre Partei gewinnt, „allein weil Prinz Sihanouk so populär ist“. Dies, so ein indischer Diplomat und Kambodscha-Kenner in Bangkok, „ist vermutlich eine Selbstüberschätzung der FUNCINPEC. Die Anhänger Sihanouks sind inzwischen alte Leute. Die Jugend hat die goldenen Zeiten unter dem Prinz nicht bewußt erlebt.“

Während die beiden großen Parteien mit der Mehrheit rechnen, hat sich die drittstärkste Gruppierung, die Buddhistische National-Liberale Partei (BNLP) unter dem ehemaligen Ministerpräsidenten Son Sann, vor zwei Tagen gespalten. Son Sanns Gruppierung gehörte neben den Roten Khmer und den Sihanoukisten zur Widerstandskoalition im Bürgerkrieg gegen die Regierung Hun Sen in Phnom Penh, der im Oktober 1991 mit dem Friedensabkommen beendet werden sollte.

Ieng Mouly, bisher Generalsekretär der Liberalen, will mit seinen Anhängern Zünglein an der Waage spielen, wenn es darum geht, eine Zweidrittelmehrheit für die Verabschiedung einer neuen Verfassung zu bilden, ohne die eine neue Regierung nicht regieren kann. Peter Dienemann/li

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen