piwik no script img

Callboy als Traumjob

■ Knut Koch schildert seinen Aufstieg vom Theater ins Sex-Studio

Vorhang auf: Knut Koch inszeniert sein Leben als Schauspieler und Callboy. 211 Seiten Autobiographie voll großer Namen und heißer Nummern. Ein Leben, das in verklemmter Familie beginnt und dessen sexuelle Befreiung fast geradlinig in ein sado-masochistisches Studio führt.

Koch ist Callboy mit Bildung. Nach der Schauspielschule spielt er am Wiener Burgtheater und dem Hamburger Thalia-Theater, spielt unter der Regie von Peter Zadek, inszeniert selbst Stücke. Über hundertmal steht er mit Heinz Rühmann auf der Bühne, hat Kontakt zu Boy Gobert, Günter Grass, ist freundschaftlich verbunden mit Inge Meysel. Und der will auf den Strich gehen?

Es ist das zweite Leben des Knut Koch. Abends steht er auf der Bühne. Tagsüber und nachts gibt er seine Vorstellungen als Callboy. Aber er teilt nicht das Schicksal der Stricher-Mehrheit. Kein Warten in der zugigen Bahnhofshalle oder einer billigen Stricherbar, keine Drogen. Koch bietet sich in Clubs oder dem eigenen Studio an. Käuflicher Sex in seiner feinsten Variante. Nicht die Not treibt ihn zu seinem Geschäft, sondern die Geilheit. Aus seiner Perspektive wird „Callboy“ zum Traumjob. Koch schildert nur zufriedene Kunden, sich selbst als „Sex-Therapeut“. Zunehmend spezialisiert er sich auf sado-masochistische Spiele, die im Detail geschildert werden.

Erstaunlich ist die Offenheit des Autors. Sexuelle Wünsche stellt er lustvoll und angstfrei dar, ohne den moralischen Zeigefinger. Erlaubt ist, was gefällt.

Und Koch gefällt, was bei vielen Lesern die Ekelschwelle überschreiten dürfte: zum Beispiel eine Nacht in einer New Yorker Lederbar, in der er sich von jedem erscheinenden Mann am ganzen Körper bepissen läßt. Ausleben statt verdrängen ist die Maxime des Autors. Dabei bedient er sich knapper, schnörkelloser Sätze, benutzt aber auch Bilder, die nicht sofort verständlich sind.

Knut Koch liebt das Spiel mit der Erniedrigung. In seiner Phantasie ist er ein verkannter Prinz. Aber er wartet nicht auf den erlösenden Kuß. Denn nicht als Prinz will er leben. Er fühlt sich wohler, je kleiner er sich macht. Liebt es, „Barfuß als Prinz“ selbst im Winter in kurzen Hosen durch Hamburg zu ziehen.

Der Autor ist Exhibitionist. Schon als Kind, so schildert er, liebte er unbekleidete Waldspaziergänge. Als Erwachsener spielte er den Reiz aus, nachts nackt um den Häuserblock zu laufen. Die Autobiographie ist nun die konsequente Fortführung dieser Vorliebe. Wo sonst hätte er die Chance, sich aller Welt so nackt zu zeigen. Werner Hinzpeter

Knut Koch: „Barfuß als Prinz. Zwei Leben.“ Edition diá, Berlin 1993, 25DM

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen