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Raumfahrt ohne Zukunft

■ Das Forschungsministerium hat kein Geld für weitere Weltraum-Missionen

Eine erste Bilanz der am 6. Mai zu Ende gegangenen Weltraum- Mission D2 haben jetzt die wissenschaftlichen Leiter des Unternehmens, Professor Peter R. Sahm von der „Technischen Hochschule Aachen“ und Manfred Keller von der „Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt“, gezogen. Demnach war der zehntägige Raumflug mit dem bekannten Weltraumlabor Spacelab im amerikanischen Raumtransporter Columbia die „komplexeste und qualifizierteste Spacelab-Mission, die es bisher gegeben hat.“ 88 Experimente wurden mit Hilfe der beiden deutschen Astronauten Hans Schlegel und Ulrich Walter und ihrer amerikanischen Kollegen absolviert – unter anderem in den Bereichen Biomedizin, Biotechnologie, Materialforschung, Astronomie, Mechanik und Robotik.

Es wird zwar bei der großen Mehrzahl der Versuche etwa sechs bis zwölf Monate dauern, bis die Resultate genau analysiert und veröffentlicht werden können. Dennoch legten jetzt Sahm und Keller eine erste Erfolgsbilanz vor.

Dazu gehört, daß es mit einer Spezialkamera gelang, über hundert Aufnahmen in die Tiefe unserer Milchstraße zu machen. Sie sollen unter anderem neue Informationen über die Sternentstehung liefern. Wie geplant, nutzten die Astronauten die Erdbeobachtungsexperimente, um – auf Wunsch der Vereinten Nationen – Kambodscha mit einer Genauigkeit von viereinhalb Metern kartographisch zu erfassen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelangen schließlich auch die Experimente mit dem etwa einen Meter langen Roboter-Arm, einem Stück High-Tech deutscher Provenienz. Zum ersten Mal gelang es einem Roboter, einen frei fliegenden Gegenstand in der Schwerelosigkeit einzufangen.

Allein vierzig Experimente galten Metall-, Salz- und Glasschmelzen, die zwar einwandfrei abliefen, im einzelnen aber noch analysiert werden müssen. Die Herstellung der für die Computerindustrie wichtigen, bislang größten Gallium-Arsenid-Kristalle glückte ebenso wie zwei Dutzend medizinische Versuche mit Hilfe der Miniklinik „Anthrorack“. Dabei stellte sich unter anderem heraus, daß eine alte Lehrbuchweisheit nicht stimmt: Die ungleichmäßige Durchlüftung der Lunge beim Atmen ist keineswegs, wie bisher angenommen, auf die irdische Schwerkraft zurückzuführen.

Einen Mißerfolg mußten die Wissenschaftsastronauten jedoch schon wenige Tage nach dem Abflug an die Bodenstation in Oberpfaffenhofen vermelden. Über die Hälfte der 480 Versuchstiere, Kaulquappen und Buntbarsche, wurden von einem Pilz befallen und gingen zugrunde. Bei den Tieren wollten die Forscher die Gleichgewichtsorgane untersuchen.

Nach Ansicht der Projektleiter bestehen keine Zweifel: Der zweite und vermutlich letzte Einsatz des bemannten US-Raumlabors Spacelab im Auftrag der Bundesrepublik brachte interessante wissenschaftliche Ergebnisse. Doch die Frage bleibt, ob sie die knapp eine Milliarde Mark wert sind, die das Unternehmen gekostet hat. Ohnehin ist Bonn angesichts der leeren Haushaltskasse nicht mehr in der Lage, derartige Missionen zu bezahlen. Nach den Raumflügen D1 im Jahre 1985 und dem jetzt beendeten Unternehmen D2 wird es die ursprünglich geplanten Flüge D3 und D4 nicht mehr geben.

Als Notnagel hatte die deutsche Seite noch vor kurzem vorgesehen, 1994 und 1996 einen Astronauten auf die russische Raumstation Mir zu entsenden. Dies sollte zu denkbar niedrigen Preisen geschehen. Ein solcher Flug wäre nicht, wie D2, mit einer Milliarde Mark abgegolten, sondern mit 30 bis 40 Millionen Mark. Doch selbst diese relativ bescheidenen Summen sind mittlerweile im Bonner Forschungsministerium nicht mehr aufzutreiben. Und ob ein für das Jahr 1997 geplanter europäisch- amerikanischer Einsatz des Spacelab stattfinden wird, das steht – ebenfalls wegen der fehlenden Finanzierung – noch in den Sternen. Anatol Johansen

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