■ Kommentar: Aufgeheizt
KOMMENTAR
Aufgeheizt
Medien und Polizei sind mal wieder auf Gleichklang geschaltet: Böse türkische Jugendliche, die wahllos randalierend durch die Stadt ziehen, die bösen Autonomen aus dem Schanzenviertel, die die Türkenkid-Randale schamlos für ihren eigenen Krawall ausnutzen. Klingt plausibel, praktisch und gut.
Doch mit der Wahrheit hat es wenig zu tun. Zugegeben: Die Morde von Solingen haben unter vielen türkischen Jugendlichen Aggressionen freigesetzt, die — wie an der Ausländerbehörde — blindwütig erscheinen mögen und deren Anlaß ebenso nur vorgeschoben scheint. In der Tat: Es sind die Aggressionen, die sich seit Jahren aufgestaut haben. Plötzlich erinnert man sich daran, wie man im Laden als „Kanaker“ beschimpft worden ist, wie man ein blaues Auge von einem Mitschüler bekommen hat, weil man „nur“ Türke ist.
Gerade in dieser nach den Morden emotional aufgeheizten Zeit wäre daher Sensibilität gefordert gewesen. Doch was Hamburgs Polizei am Mittwoch geliefert hat, war genau das Gegenteil. Die Polizeitaktik war nicht nur dumm, sondern auch gefährlich. Bei ein wenig mehr Zurückhaltung wäre vielleicht der Glasbruch nicht überall verhindert worden, es hätte aber mit Sicherheit nicht derartige Auseinandersetzungen gegeben. Nun ist die Stimmung weiter aufgeladen worden — gewollt oder ungewollt. Kai von Appen
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