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Wand & BodenIm Bohrgang des Borkenkäfers

■ Kunst in Berlin jetzt: Gruppen wg. Krieg, Stadtteil, Medium und Geschlecht

„Rent a Kriegsbild“ heißt in provokativer Absicht eine Ausstellung im Kato im U-Bahnhof Schlesisches Tor, die die aktuellen Kamerabilder in Presse und TV zu Krieg und Gewalt kritisch aufarbeiten will. Das Ganze ist flau und der Rede (leider) nicht wert. Pressefotos im Goldrahmen, Bildunterschriften ohne zugehöriges Foto und rosarote Wassermaschinenpistolen, die auf das Foto einer Erschießungsszene zielen – das läppische Ende der 70er Jahre, nach denen der institutionelle Rahmen mieft: „Ein Projekt der Hochschule der Künste, Kulturpädagogische Arbeitsstelle, unterstützt aus Mitteln der dezentralen Kulturarbeit Kreuzberg.“

Bis 10. Juni, Mo–Sa 14–18 Uhr.

Der Trend zum dezentralen, zum ganz lokalen local hero zeigt sich auch bei „Kunstbrücke Berlin- London“, einem Projekt, das Stadtteil mit Stadtteil verbinden will, konkret Prenzlauer Berg/ Berlin mit Southwark/London. Die dort beheimatete Bermondsey Arists Group entsandte drei Künstler auf den Kontinent, die Computergrafik, Malerei und eine Installation zeigen. Diese besteht aus einer — aus Tau, Leder und Gummi gebildeten — Form, die als Leuchtturm zu dechiffrieren ist. So mäßig dieses Ereignis ist, es bleibt festzuhalten, daß die Affinität der Zöllner zur Kunst noch immer existiert. Daß allerdings die Naivität des ehemaligen Zollbeamten Alan Turner auf dem Niveau des Zöllners Rousseau sei, soll nicht gesagt werden. Simon Betts malt auf graue Hintergründe kreisförmig angeordnete, grauabgestufte Kreisformen, denen er eine weitere Kreisform zuordnet, die recht irregulär ihren Ort auf der Bildfläche findet und in sich struktiert ist, als sähe man den Bohrgang eines Borkenkäfers. Angela Eames Computergrafiken glänzen dagegen hochpoliert von der langen Galeriewand des Kulturamts Prenzlauer Berg. Die Binnenform eines Schnullers und seines zum Penis verfremdeten Pendants wird als „Pacifier“ und „Pacified“ , als „Between Theory and Practice“ oder „Forwords, Backwords“ mit jeweils anderen Zeichensystemen belegt, mit mathematischen Formeln, Wörtern oder grafischen Schraffuren. MTV-reif.

Bis 17. Juni, Dimitroffstr. 101, Mo, Di, Do 10-18 Uhr, Mi, Fr 10-20 Uhr, Sa, So 15-20 Uhr.

Geht es weniger dezentral zu, dann wird die Angelegenheit mit der Kunst vielfältiger, reicher und überschaubarer zugleich. Zeichnungen, Arbeiten auf Papier, sind das verbindliche Moment für die Künstler, die Nicolaus Schafhausen – im Klartext die Galerie Lukas & Hoffmann – im Studio III Künstlerhaus Bethanien ausstellt. Lily van der Stokkers Blätter sind mit Buntstift, Girlanden und Wörtern Mimikry eines Schulmädchen-Zeichenhefts. Verstreut zwischen die Arbeiten der anderen Teilnehmer gehängt, werden sie zum konkreten Kommentar des Ausgestellten. Interessanterweise halten sie dieser aufgezwungenen, fremden, verweisenden Funktion stand. Sie bleiben eigensinnig sinnfällig. Die australischen Künstlerinnen Janet Burchill und Jennifer McCamley fotografierten entlang einem Stück Mauerstreifen, an dem sich Türken mit allerlei Strandgut einen Treffpunkt gebaut haben. Die Fotografien dienen als Vorlagen zu ihren Zeichnungen, die die Reduktion der ,Wirklichkeit‘ in die flächige Fotografie noch einmal in der Reduktion der puren Strichzeichnung wiederholen. Dabei wird im Prozeß dieser Formalisierung und Stilisierung deutlich, daß die vorangegangene Reduktion des Sperrmülls in Form und Funktion einer Sitzbank schon die Paraphrase zu Mondrian ist. Kai Althoffs „Erwachsenwerden, Fabio“ erzählt in 16 Blättern vom Coming-out eines Jugendlichen. Die 70er Jahre verläppern hier nicht, sondern werden in ihren typischen Farben von Orange und Grün markant. Die Schulbuch- Ästhetik der 70er Jahre, die damals den amerikanischen Comic in flotte Zeichnung abmilderte, um in angestrengt-pädagogischer Absicht beim ausgeflippten Publikum anzukommen, wird Althoff zum immanenten Mittel, um das „Herauskommen“ zu dramatisieren: Stil kommt zur Sache. Die mediale Vorgabe, „The Meaning of Style“, wird auch bei Susanne Riedel zum wahrnehmungsleitenden Moment ihrer ausgeschnittenen Modewelt. Sie läßt die Originalseiten aller möglichen Fashion-Magazine in Kunststoffolie ein und schneidet dann den Modells den Körper und das Fleisch weg. Stoff und Pose bleiben übrig.

Bis 13. Juni, Mariannenplatz 2, täglich 14-19 Uhr (außer Mo).

Nicht Stadtteil, nicht Medium, sondern Geschlecht bedingt die Gruppenausstellung „Goldrausch IV“ in der Berlinischen Galerie. Die offenkundige Benachteiligung von Künstlerinnen in öffentlichen Präsentationen führte zum Senats-Projekt „Ohne Kompromiß“, in dem die Frauen Grundlagen des Mangement erlernen, um ihre künstlerische Praxis auch im Kunstbetrieb tatsächlich durchsetzen zu können. Vierzehn Kursteilnehmerinnen kommen jetzt in der Goldrausch-Ausstellung zur Bild/Sprache. Wortangebote, Objekt- und Inszenierungsangebote der Alltagswelt bestimmen den „Schritt zur Konzeptionalisierung künstlerischer Praxis“ (Katalog), der als deutliches, verbindendes Motiv der Ausstellung sichtbar wird. Dabei fallen aber eher die Arbeiten auf, die das nur marginal mitvollziehen, wie Frauke Schlitzs „Plastische Arbeiten“. Ihre Beton- „Mäntel“ und „Schwingen“, am menschlichen Körpermaß ausgerichtet, rücken Dichte, Volumina und Materialität dieses uns allumgebenden Baustoffes hautnah an den Betrachter heran. Caro Suerkemper und Kai Rosner trauen sich, mit Öl zu malen, eine für Frauen weitaus riskantere Kunstgeste als für ihre männlichen Kollegen, weshalb Künstlerinnen Anti-Kunst-Formen und -Materialien signifikant bevorzugen. Margarete Daepp legt in eine Glasvitrine sieben, etwa handgroße Tonobjekte. In ihrer porzellanen Oberflächenhärte und einer technisch gefertigten Formpräzision, die funktional nicht zu entschlüsseln ist, signalisieren sie unverkennbar Nutzlosigkeit, und sind tatsächlich das „Spielfeld“ einer rein ästhetischen Produktion. Vielleicht etwas zuviel Marketing zeigt sich in der Katalogproduktion. Für jede Künstlerin ist eine eigene Broschüre entstanden, und obgleich im einzelnen mit viel Bedacht, Witz und Aufwand gemacht, wirkt dieser bunte Strauß eben deshalb arg bemüht.

Bis 1. August, Stresemannstr. 110, täglich 10-20 Uhr. Brigitte Werneburg

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