: Alles andere als der Held der SED
■ Thälmann-Denkmal: Symposion zum alternativen Umgang
Die vom Senat eingerichtete Kommission zum Umgang mit den politischen Denkmälern der Nachkriegszeit in Ostberlin hat, ebenso wie die BVV Prenzlauer Berg, den Abriß des Thälmann-Kolosses empfohlen. Ein zweitägiges Symposion zur Person Ernst Thälmanns und des nach ihm benannten Denkmals hat am vergangenen Wochenende Vorschläge für die Zukunft des Bronzeriesen erarbeitet. Die taz sprach mit Eberhard Elfert, Mitglied der „Initiative politische Denkmäler der DDR“.
taz: Ein Symposion unter dem Druck des Denkmal-Abrisses hat etwas von einer Abschiedsveranstaltung. War es die letzte Ehre für Teddy?
Eberhard Elfert: Nein. Unsere Idee war, mit Nachdruck auf die Durchführung eines künstlerischen Wettbewerbs hinzuweisen.
Wie hat sich das Symposion diesem Thema angenähert?
Einerseits wurde mehr Klarheit über die historische Person Ernst Thälmanns geschaffen. Zu DDR- Zeiten war es ja nicht möglich, Archivmaterial zu sichten. Andererseits wurde der DDR-Mythos der Figur Thälmann kritisch beleuchtet. Darüber hinaus ging es um die Denkmalsetzung und den zukünftigen Umgang mit ihr.
Welche neuen Perspektiven weisen auf einen anderen Umgang mit dem Thälmann-Denkmal hin?
Die heroische Größe der Person Thälmanns, wie sie in der DDR- Geschichtsschreibung dargestellt wurde, ist ein politisches Zerrbild. Das hat sich im Denkmal Lew Kerbels niedergeschlagen. Richtig erscheint eine Interpretation auf der Basis, daß Thälmann ein kleinbürgerlicher Mensch war, der gerade während der Haftjahre zu einer verzweifelten Person wurde – also alles andere als der Held war, den die SED aus ihm machte.
Wie sehen die Vorschläge zur Umgestaltung aus?
Die Ideen der vier eingeladenen Künstler reichten vom Abriß der Skulptur und deren Transformation über die Ironisierung und Kommentierung durch Anbauten und Umbauten des Ortes bis zur bekannten Begrünung.
Alternative Umgangsformen mit dem Denkmal wurden bereits ein anderes Mal gefordert. Warum entwickelte sich nichts daraus?
Die Kommission des Senats begründete ihre Ablehnung im Februar 1993 damit, daß das Denkmal auf undemokratische Weise errichtet wurde und es sich um eine städtebauliche Fehlleistung handle. Außerdem würde das Denkmal der historischen Person nicht gerecht. Heute ist die BVV Prenzlauer Berg aus noch anderen Gründen an einem Abriß interessiert. Die SPD beispielsweise plädiert für eine Bebauung des Geländes. Andere Fraktionen wollen die Parkanlage erhalten. Es gibt derzeit einen Kompromiß, der die Beseitigung des Denkmals und zugleich eine Ehrung Thälmanns in anderer Form an dieser Stelle vorsieht. Entscheidend wird auch sein, ob Thälmann der Überprüfung der Denkmalbehörde standhält. In dieser komplexen Konstellation sehe ich aber noch einen langen Bestand des Denkmals.
Das Thälmann-Denkmal muß sich eine Gesinnungsprüfung und – zu Recht – den Vorwurf der Monströsität und Monumentalität gefallen lassen.
Das Thälmann-Denkmal steht nicht für ein schönes oder häßliches Abbild, sondern ist heute ein Geschichtsdokument der DDR und deren Interpretation Thälmanns. Allein darin liegt sein Wert. Außerdem glaube ich, daß es sich bei der Debatte im Umgang mit den politischen Denkmälern der DDR nicht um ästhetische Fragen, sondern um die politische Bereinigung des Stadtraums handelt.
Die monströse Häßlichkeit steht aber auch einem anderen Erleben des Stadtraums im Wege.
Das Denkmal, so wie es ist, kann nicht stehen bleiben. Wichtig ist, daß man Distanz dazu bekommt. Ein Ziel der Veranstaltung war gerade, die kritische Auseinandersetzung zu beginnen und in die Öffentlichkeit zu tragen. Ein anderes Ziel bleibt die Forderung nach einem künstlerischen Wettbewerb. Interview: Rolf Lautenschläger
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