: Ein Brandmal für kriminelle Erbsendosen Von Ralf Sotscheck
Was für eine Dose Erbsen gut ist, kann auch einem Knacki nicht schaden. Zu dieser Überzeugung gelangte die Firma „UK Detention Services“, die das Privatgefängnis Blakenhurst in der Grafschaft Worcestershire leitet, das im Mai eröffnet wurde. Die dem Unternehmen ausgelieferten 649 Gefangenen werden künftig mit Strichcodes versehen, damit ihre Bewegungen im Knast besser kontrolliert werden können. Das funktioniert folgendermaßen: Die Wärter erhalten – genau wie Supermarkt-KassiererInnen – ein Lesegerät, das sie über das elektronische Brandzeichen führen. Sämtliche Informationen über den Gefangenen und seinen Aufenthaltsort werden dann automatisch an einen zentralen Computer gemeldet. Und es tut nicht mal weh: Der Strichcode wird den Gefangenen per Armband ums Handgelenk gelegt. Die Knackis dürfen sich freuen: „Wenn Mama zu Besuch kommt, finden wir den Gefangenen, ohne lange suchen zu müssen“, sagte ein Firmensprecher. Auch beim Einkauf im Gefängnis-Supermarkt habe der Strichcode eindeutige Vorteile. An der Kasse werden erst die Waren per Scanner eingelesen und dann der Gefangene. „Der Strichcode zeigt umgehend, wieviel Geld der Gefangene auf dem Konto hat“, sagte der Sprecher. Allerdings gab er zu, daß die Vorteile den Gebrandmarkten möglicherweise erst per Werbekampagne nähergebracht werden müssen.
„UK Detention Services“ ist ein Konsortium aus zwei britischen Bauunternehmen und der US-amerikanischen „Correction Corporation of America“ (CCA), der bereits 21 Gefängnisse in den USA und Australien unterstehen. Anfang des Jahres leitete das britische Innenministerium eine Untersuchung ein, nachdem einer der CCA-Direktoren beschuldigt worden war, Gefangene in den USA mißhandelt zu haben. Dennoch hat das Konsortium bisher weit weniger Aufmerksamkeit erregt, als die Konkurrenz von „Group 4“, die den zweiten englischen Privatknast Wolds leitet. „Group 4“ ist zum Gespött des Landes geworden, weil der Firma ständig Gefangene entwischen.
Die grandiose Strichcode-Idee hat nun auch „UK Detention Services“ ins Kreuzfeuer der Kritik gerückt. Stephen Shaw, der Direktor der Stiftung für Gefängnisreform, befürchtet, daß das System zur Bestrafung mißbraucht werden kann. Offiziell dürfen Strafen zwar nur vom Innenministerium verhängt werden, doch der Gefängnisdirektor räumte ein, daß die Strichcodes auch dazu dienen, die „Gefangenen zur Arbeit zu ermutigen“. Wenn der Knacki morgens lieber im Bett bleibt, erfährt der Computer das unweigerlich und kann den Betroffenen – ebenfalls per Strichcode – vom Besuch der Sporthalle, des Fernsehzimmers oder der Bibliothek ausschließen. Umgekehrt können „kooperative Gefangene“ mit größerer Bewegungsfreiheit – natürlich innerhalb der Knastmauern – belohnt werden. Vielleicht können sich die Gefangenen das System ja auch zunutze machen, indem sie die Strichcodes im Gefängnis-Supermarkt vertauschen. Am Ende bewacht „UK Detention Services“ womöglich 649 Dosen Erbsen, während sich die Knackis im Müllwagen aus dem Staub gemacht haben.
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