: SPD fordert Verbot von Neonazis
Arbeitskreis Rechtsextremismus in der SPD will rechtsextreme Nachwuchsorganisationen FMJ und SrA zerschlagen lassen / Gruppen haben Stützpunkte im brandenburgischen Umland ■ Von Severin Weiland
Manchmal sind Papiere frisch gedruckt und vervielfältigt, da werden sie von der Wirklichkeit schon eingeholt. So geschah es gestern Wolfram Meyer zu Uptrup von der „Arbeitsgemeinschaft Rechtsextremismus“ in der SPD Berlins und Brandenburgs, als er in der Parteizentrale in Wedding ein kürzlich erarbeitetes Thesenpapier zum Rechtsextremismus vorlegte. Nach den jüngsten Morden von Solingen war darin bereits der Satz, daß seit einigen Wochen „ein gewisser Rückgang rechtsextremistischer Aktivitäten“ zu verzeichnen sei, zur Makulatur geworden.
Doch abgesehen von solchen Fehleinschätzungen bleiben viele Thesen der AG nach wie vor aktuell. Etwa die von Meyer zu Uptrup gemachte Feststellung, man müsse mittlerweile vom „rechtsextremistischen Terrorismus“ sprechen. Dieser werde allerdings nicht wie der Terrorismus der RAF zentral koordiniert, wie er zugleich einschränkte, sondern trete ad hoc auf. Handlungsanleitung für die Täter liefere vielmehr die rechtsextremistische Propaganda. Diese Strukturen, so der Historiker an der Potsdamer Universität, seien allerdings polizeilich „viel leichter greifbar“ als der bisher bekannte Terrorismus der RAF.
Neben einer verstärkten Sozial-, Wirtschafts- und Jugendpolitik, Zuwanderungsregelungen für Immigranten, dem kommunalen Wahlrecht und der doppelten Staatsbürgerschaft forderte Meyer zu Uptrup eine stärkere Verfolgung rechtsextremistischer Straftaten durch Polizei und Staatsanwaltschaft. Dazu gehöre auch, die Organisationsstrukturen neonazistischer Gruppen „immer wieder zu zerschlagen“. Er wiederholte seine Forderung vom Wochenende, die rechtsextremistische „Sozialrevolutionäre Arbeiterfront“ (SrA) und das „Förderwerk Mitteldeutsche Jugend“ (FMJ) zu verbieten. In der FMJ-Publikation Angriff, deren Name sich von einer 1927 herausgegebenen Hetzschrift des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels herleite, würden politische Gegner und deren Treffpunkte vielfach mit Adresse genannt – oft mit der nur wenig verhüllten Aufforderung, gegen diese dann vorzugehen.
SrA und FMJ aktiv im Brandenburger Umland
Obwohl Ende vergangenen Jahres mehrere rechtsextremistische Organisationen von Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) verboten wurden, blieben die SrA und die im Juli 1992 gegründete FMJ davon unberührt. Als Führungsfigur beider Gruppen gilt Andreas Pohl, ein Mitglied der inzwischen verbotenen „Nationalistischen Front“ (NF), der zeitweise mit Flugblättern im Bezirk Hohenschönhausen gegen Ausländer agitierte. Während sich die SrA in einem Artikel des Angriff als „Kader- und Elitepartei“ begreift, soll die FMJ als „Massenorganisation“ sogenannte national denkende Jugendliche mobilisieren und organisieren. Gilt bei der FMJ für eine Mitgliedschaft das schlichte Credo „Wer deutsch ist, deutsch denkt und deutsch handelt“, hält sich die SrA an weitaus martialischere Grundsätze: Mitglied kann nur werden, wer sich „militärisch ein- und unterordnen“ kann und fest entschlossen ist, „handeln und ändern zu wollen“.
Besonders aktiv sind beide Organisationen in Berlin und Brandenburg. Allein im Umland gibt es derzeit drei Hochburgen der FMJ: Kremmen, Velten und Hennigsdorf. Anfang April startete die FMJ in Hennigsdorf eine breit angelegte Propagandatour und verteilte nach eigenen Angaben rund 9.500 Exemplare ihres sogenannten Hennigsdorfer Beobachters in den Briefkästen der Stadt. In Velten, wo die FMJ nicht nur ein Postschließfach besitzt, sondern nach Angaben des Oranienburger Generalanzeigers auch die Köpfe der Gruppe beheimatet sein sollen, ging am 21. April der Wagen eines Sozialarbeiters in Flammen auf, der sich um die Integration rechter Jugendlicher bemüht.
Wie stark beide Gruppierungen sind, ist derzeit schwer einzuschätzen. Ihren letzten größeren Auftritt hatten SrA und FMJ am 15.November 1992, als der rechtsextreme Gedenkmarsch auf die ehemaligen Zweite-Weltkriegs- Schlachtfelder von Halbe durch die Polizei verhindert wurde. Daraufhin fuhren rund 80 bis 90 Anhänger beider Gruppen auf den Waldfriedhof von Stahnsdorf.
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