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„Die Mörder sind aus der Nachbarschaft“

Dem Brandanschlag auf ein von Ausländern bewohntes Mietshaus in Frankfurt am Main entkamen die BewohnerInnen nur durch einen Zufall / Vorwürfe gegen die Polizei  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Knapp dreißig Menschen im Haus Frankenallee 122 im Frankfurter Gallusviertel entgingen in der Nacht zum Dienstag kurz nach Mitternacht nur durch einem Zufall einer Brandkatastrophe: Weil ein türkischer Familienvater verspätet von der Schicht in einem Zeitungsverlag nach Hause kam und das Feuer im Treppenhaus entdeckte, Lärm schlug und gemeinsam mit anderen Hausbewohnern die Flammen erstickte, kamen die FrankfurterInnen mit türkischen, portugiesischen und marokkanischen Pässen mit dem Leben davon. Nur fünf Minuten später, so Irene Katheeb, Sprecherin des Amtes für Multikulturelle Angelegenheiten unter Berufung auf Brandschutzexperten, hätte das gesamte Treppenhaus in Flammen gestanden.

Zwei Männer mit kurzen Haaren seien mit quietschenden Reifen in einem grünen Mercedes mit Schiebedach weggefahren als der Türke von der Arbeit nach Hause kam, sagen die MieterInnen, die sich am Morgen vor dem dreistöckigen Gebäude versammelt haben: „Dafür gibt es Augenzeugen.“ Die Menschen haben den Rest der Nacht in ihren Autos oder in ihren Gartenhäuschen an der Peripherie der Stadt verbracht. „Bring uns weg aus Deutschland, sonst sterben unsere Kinder hier“, fleht eine verzweifelte Portugiesin ihren Mann an. Andere stehen fassungslos vor dem Haus, in dem sie teilweise schon seit zehn Jahren leben.

Am Montag gegen 9 Uhr hatte es in dem verwahrlost aussehenden Mietshaus schon einmal gebrannt. Im Keller hatten unbekannte Täter Feuer gelegt, das von den HausbewohnerInnen rasch gelöscht werden konnte. „Die Mörder wohnen doch hier in der Nachbarschaft“, sagt ein anderer Portugiese, der seit zwanzig Jahren in Frankfurt lebt, verbittert: „Antifaschisten werden von der Polizei in der Münchner Straße eingekesselt – aber die Nazis bleiben unbehelligt.“ Um die Ecke hätten die Reps doch ihr Hauptquartier, sagte ein anderer Hausbewohner. Und in der Frankenallee wohnten „mindestens fünf Skinheads“. Schwere Vorwürfe an die Adresse der Polizei richteten gestern auch die Initiatoren des „Antirassistischen/ Antifaschistischen Notruf- und Infotelefons“ (069/703337). Polizeisprecher Reinstedt, so heißt es in einer Erklärung, habe die Tat „mit unglaublicher Arroganz banalisiert“. Tatsächlich hatte Reinstedt auf einer Pressekonferenz erklärt, daß die Tat für ihn „kein Anschlag, sondern versuchte Brandstiftung“ gewesen sei.

In Frankfurt, der Stadt mit dem höchsten Anteil von ausländischen Bewohnern in der Bundesrepublik, sorgte der Anschlag für tiefe Bestürzung. Stadt und Staatswanwaltschaft setzten 20.000 Mark Belohnung für Hinweise auf die Täter aus.

Gestern Vormittag waren Oberbürgermeister Andreas von Schoeler, Stadtkämmerer Tom Königs und Multikulturdezernent Dany Cohn-Bendit vor Ort. Von Schoeler forderte die Hausverwaltung auf, dafür zu sorgen, den Zugang zu dem Mietshaus zu sichern. Bislang, so die MieterInnen, habe die Haustüre immer offen gestanden – „und keiner von uns hatte für die Haustür einen Schlüssel“. „Der beste Schutz“, so Cohn-Bendit, sei ein „intaktes soziales Umfeld“. Das Multikulti-Amt forderte alle FrankfurterInnen auf, wachsam zu sein und verdächtige Vorgänge umgehend der Polizei zu melden. Cohn-Bendit: „In der gegenwärtigen Situation bedeutet Zivilcourage, sich für den Nächsten mitverantwortlich zu fühlen, die Augen zu öffnen und damit die Nachbarn zu schützen.“

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