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Kaiserliche Hochzeitsreise in die Sphäre der Unsterblichen

■ Des Kronprinzenpaares erste Reise wird sie nach Ise führen, zur heiligsten Stelle im Kaiserreich: dem Schrein der Göttin Amaterasu

„Am Anfang war die Frau die Sonne.“ Schon die berühmte Grundsatzerklärung der feministischen Literaturzeitschrift Seito, verfaßt von der Schriftstellerin Hiratsuka Raicho im Jahre 1911, spielt mit dem Frauenmythos in der Entstehungslegende Japans. Der Mythos besagt, daß Amaterasu Omikami, die Göttin, die den Himmel erleuchtet, Japan erschuf wie uns der liebe Gott.

Was Wunder also, wenn Masako Owada, Kronprinzessin im Hause göttlicher Abstammung, ihre Hochzeitsreise nicht nach Hawaii gebucht hat, sondern alsbald zur heiligsten Stelle im japanischen Kaiserreich aufbricht, dem Schrein der Sonnengöttin Amaterasu in Ise.

Würde Japan einen Petersdom besitzen oder ein heiliges Mekka – nur auf der Halbinsel Ise, hinter den tiefgrünen Hügeln von Kioto, am weißklaren Isuzu-Fluß, wo die Prinzessin Yamatohime no Mikoto den Legenden zufolge vor zweitausend Jahren die letzte Wohnstätte für Amaterasu errichtete, könnte das oberste Heiligtum stehen. Dort nun werden Masako und ihr Prinz der alten Göttin, die nach religiöser Anschauung die erste Vorfahrin des Kaiserhauses ist, Bericht von ihrer Vermählung abgeben. Dabei betritt Masako, was außer Kaiserin Michiko kein Bürgerlicher in Japan zuvor je betreten hat: die Sphäre der Unsterblichen, jenes Schreininnere von Ise, wo – hinter wie vielen Wänden, das weiß niemand – Amaterasus Spiegel als ihr letztes Relikt auf Erden ruht.

Masako Owada tritt auf jeden Fall ein reiches Erbe an

Weil er so gut verpackt ist, hat den Spiegel niemand zuvor gesehen. Ihn zumindest zu erahnen aber erscheint Millionen von Ise-Pilgern jedes Jahr nicht schwerzufallen. Sie erwarten offenbar keine Sehenswürdigkeiten außer Bonsai- Gärten und Natur.

Denn über steinernen Treppen, vor einem einfachen grauverblichenen Holztor, hört die Pilgerreise auf. Nur ausländische Ungläubige spähen hier durch Holzritzen, um vielleicht doch den Schatten der Sonnengöttin zu erhaschen. Doch hinter dem ersten Tor folgt nur das zweite. Bis auf die beiden letzten Tore darf allein Kronprinzessin Masako sie alle durchschreiten.

Was aber passiert dann? „Jetzt müssen wir die verborgene Sonne in uns wiederentdecken“, führt Hiratsuka Raicho, die Feministin der ersten Stunde, ihren Aufruf fort. Ob die neue Kronprinzessin Raichos Rufe vernimmt, wenn sie in Ise der Göttin Amaterasu nahetritt, sei dahingestellt. Immerhin zehn Kaiserinnen unter 125 Religionsoberhäuptern zählt die japanische Geschichte. Masako Owada tritt also in jeder Hinsicht ein reiches Erbe an.

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