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Bremen Mittelklasse

■ Kriminalität: Polizeistatistiken taugen nicht, Opferbefragung neue Methode

Taschendiebstähle und andere Bagatell-Delikte kosten unnötig Arbeit Foto: Katja Heddinga

Mit der Polizeistatistik kann man die Kriminalität in einer Stadt nicht messen. Damit provozierte der Kriminologe Professor Dr. Christian Pfeiffer aus Hannover rund 150 PolizeibeamtInnen bei einer internen Fortbildung. Schließlich zählt die Polizeistatistik nur die angezeigten Straftaten, so Pfeiffer. Schutzgelderpressungen tauchen darin also gar nicht auf, nehmen in der Realität jedoch zu.

Messen läßt sich die Kriminalitätsrate nur mit einer sogenannten Opferbefragung:Die BürgerInnen werden gefragt, ob sie schon einmal Opfer von Straftaten geworden sind, wenn ja, von welchen, und ob sie Anzeige erstattet haben. Auf diese Weise kann das Dunkelfeld ermittelt werden. In den USA und Großbritannien sind solche Dunkelfeldforschungen üblich, mittlerweile interessiert sich offenbar auch das BKA dafür.

In Deutschland hat im Frühjahr 1992 das kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen 11.000 Personen befragt. Danach liegt Bremen bundesweit im oberen Feld. Verglichen mit anderen norddeutschen Städten jedoch kommt Bremen erst nach Hamburg, Lübeck, Kiel und liegt gleichauf mit Hannover. Weniger Kriminalität gibt es in Braunschweig und Oldenburg.

Verglichen mit anderen norddeutschen Städten lebt es sich in Bremen also gar nicht so viel gefährlicher. Zur Erinnerung: Der „Spiegel“ hatte jüngst Bremen als Hochburg des Verbrechens dargestellt. Zu diesem Schluß muß man kommen, wenn man die offiziellen Statistiken (die „Hellfeld“-Statistiken) von Städten aus Nord und Süd miteinander vergleicht. Doch Nord-und Süddeutsche haben ein ganz anderes Anzeigeverhalten — was in Bayern unter „Watschen“ läuft, geht im Norden als „Körperverletzung“ in die Akte ein.

Verglichen mit der Vergangenheit jedoch ist die Kriminalität in Bremen hoch: Zwischen 1989 und 1992 stieg sie um 22 Prozent. Das allerdings ist ein bundesweites Phänomen: Nach der Grenzöffnung blieb die Zahl der Tatverdächtigen unter der westdeutschen „Ur“-Bevölkerung gleich, während sie geradezu dramatisch stieg bei den Tatverdächtigen mit Wohnsitz in den neuen Bundesländern oder in osteuropäischen Staaten. Gestiegen ist vor allem die Bagatellkriminalität wie Handtaschenraub und Diebstahl.

Politisch scheint nun in Bremen akzeptiert, daß man die benötigte PolizistInnenzahl nicht allein mit der polizeilichen Kriminalstatistik ermitteln kann — eine Arbeitsgruppe im Innenressort war auf diesem Weg zu einer Stellenzahl von 847 gekommen.

Bevor man die Stellen planlos aufstockt, legte Pfeiffer den anwesenden BehördenvertreterInnen nahe, solle man doch per Reform erkunden, wieviel Stellen durch Effektivitätssteigerung eingespart werden können: Wieso zum Beispiel arbeitet ein auf Staatskosten voll ausgebildeter Polizeibeamter in der Küche? Und wieso tun mehrere Beamten Dienst in der Kfz-Werkstatt? Warum wird für jedes Schwarzfahren eine Akte angelegt, wo doch die Staatsanwaltschaft solche Bagatellstrafsachen ohnehin einstellt? Könnte man da nicht arbeitssparend gleich abkassieren? Christine Holch

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