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Der "streetfighter- Romantik" erlegen

■ betr.: "Die Angst vorm Spartakusaufstand", taz vom 4.6.93

betr.: „Die Angst vorm Spartakusaufstand“, taz vom 4.6.93

Ein Vierteljahrhundert nach 68 entzünden Barrikaden und Steine immer wieder aufs neue die Phantasie unserer Intellektuellen – obwohl nach Rostock das linksradikale Monopol der brennenden Autoreifen aufgebrochen worden ist. Auch Eberhard Seidel-Pielen ist dieser „streetfighter-Romantik“ erlegen. Zwar verwahrt er sich dagegen, die aufständischen Immigranten (die Innen sind ja faktisch nicht vertreten) als revolutionäres Subjekt zu vereinnahmen, aber die Begeisterung, mit der er ihre „kreativen Formen der Auseinandersetzung“ hochstilisiert, zeugen vom Gegenteil.

Nach Mölln und Solingen ist die Wut nachvollziehbar, die vor allem jugendliche Türken auf die Barrikaden treibt. Die BRD erhält den Anschluß an Westeuropa. Sporadisch aufflackernde Gettoaufstände sind in England und Frankreich seit Anfang der 80er Jahre an der Tagesordnung. Der Anlaß ist oft ein Übergriff von Polizei oder Rechtsradikalen, aber die Ursachen liegen in der verhinderten Integration der Immigranten. Die Bandenbildung, vor allem, aber nicht nur ausländischer Jugendlicher folgt aus der Ausgrenzung und nicht aus dem heroischen Abwehrkampf gegen die Skinheads, wie dies Seidel-Pielen darstellt.

Die meisten Auseinandersetzungen spielen sich unter den diversen Cliquen ab, und die „Antifa“ findet, mangels präsenter rechter Masse in den westlichen Großstädten nur sporadisch statt. Modische Jacken und Turnschuhe wechseln häufiger ihren Besitzer als politische Statements. Das spricht für Reebok, aber gegen die Revolution. Man muß die Cliquenbildung als identitätsstiftendes Element einer Immigrantengegenkultur, als Auffangbecken von und für heimatlose Jugendliche verstehen und annehmen. Eine Bewertung läßt das nicht zu. Die Gruppengesetze sind selten besser als die des Staates, der sie ausgrenzt. Spartakus, ehemaliger Gladiator, ließ bekanntlich gefangene Legionäre zu Gladiatorenkämpfen auftreten...

Eingekeilt zwischen repressiven Familienstrukturen, die in der BRD-Wirklichkeit keine Orientierung mehr geben können und einer gleichgültigen bis feindseligen deutschen Umwelt, die ihnen die Anerkennung verweigert, reproduzieren die Jugendgangs nicht unbedingt das Feinste aus den beiden Kulturen. Eine Romantisierung dieser Gruppen, die zwischen Peer-group und Straßenkriminalität, Freundschaften und Langeweile pendeln, ist sicherlich fehl am Platz.

Die „Riots“ sollten als Warnung begriffen werden, als Stein des Anstoßes, um den Trauerreden Taten folgen zu lassen und die Gleichberechtigung der Immigranten zu verwirklichen. Nicht revolutionäre Schützenhilfe für die Randgruppenstrategen der ersten Stunde ist gefragt, sondern langfristige Perspektiven von Minderheiten und Mehrheit in einem Land. Die doppelte Staatsbürgerschaft ist ein erster Schritt, die ökonomische und teilweise auch kulturelle Integration müssen folgen. Axel Fevert, Oestrich-Winkel

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