piwik no script img

Vier Schlüssel zum Stanley Cup

Mit einem 4:1 im fünften Spiel gegen die Los Angeles Kings gewannen die Montreal Canadiens das Finale der Eishockeyliga NHL  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Im fünften Match der Finalserie gegen die Los Angeles Kings bewiesen die Montreal Canadiens, daß sie manchmal auch in der Lage sind, Eishockeyspiele in der regulären Spielzeit zu gewinnen. Im heimischen Forum siegten sie 4:1, entschieden so die Serie ebenfalls mit 4:1 für sich und hatten damit zum 24. Mal in ihrer Geschichte den Stanley Cup der nordamerikanischen Profiliga NHL geholt.

Zunächst hatte es beim Aufeinandertreffen mit den Kings keineswegs nach einem Sieg des kanadischen Teams ausgesehen. Gleich im ersten Match schafften die Kalifornier das Kunststück, in Montreal zu gewinnen, was keinem anderen Team in den Play-offs gelungen war. Zu verdanken hatten die Kings ihren Sieg in Spiel 1 dem gerade noch rechtzeitig gesundeten Wayne Gretzky, der beim 4:1 Torgefährlichkeit in sämtliche Richtungen entwickelte. An allen fünf Treffern war Gretzky beteiligt, zwei schoß er selber, eines in das gegnerische, das andere in das eigene Netz. „Ich habe mich sehr geschämt“, sagte er hinterher, „ich habe den Puck nicht nur berührt, ich habe ihn hineingefeuert.“ Die Scham trieb den Eiswirbler mit der Nummer 99 aber zu großen Taten an und Montreal ahnte angesichts der Hochform des großen Wayne Böses für den Rest der Finalserie. „Wir können ihn nicht so spielen lassen, er ist der Beste auf der Welt“, sagte Verteidiger Sean Hill. „Das heißt nicht, daß wir ihn durch das Glas rammen müssen.“

Auch ohne Brachialgewalt schaffte es Montreal in der Folge, Gretzkys Aktivitäten zu begrenzen. Zwar wurde „The Great One“, der mit den Edmonton Oilers viermal den Stanley Cup gewonnen hatte, mit 40 Punkten bester Scorer der Play-offs, aber er kam gegen die Canadiens längst nicht so zum Zug wie im Halbfinale gegen die Toronto Maple Leafs, die er mit einem Hattrick im entscheidenden Spiel fast im Alleingang aus dem Wettbewerb befördert hatte. Vor allem im fünften Spiel ließ Montreals Center Guy Carbonneau den Spielmacher der Los Angeles Kings kaum zur Entfaltung kommen. Einer der Schlüssel zum Triumph der Canadiens.

Der zweite Schlüssel war schlichtes Glück. Um ein Haar hätten sie auch das zweite Heimspiel verloren und wären damit schier hoffnungslos in Rückstand geraten. 1:2 lagen sie zwei Minuten vor Schluß zurück, da kam ihnen ein „illegaler Stock“ zu Hilfe. Während der Partie hatten sie ausgespäht, daß Marty McSorley einen Schläger mit verdächtiger Krümmung benutzte. Als in der Schlußphase alles auf dem Spiel stand, beschwerten sie sich beim Schiedsrichter, der maß nach und stellte tatsächlich fest, daß die Krümmung um einen Zentimeter zu stark war. „Wir waren tot. Wir hatten keine Wahl“, rechtfertigte Coach Jacques Demers, dem die Sache sichtlich peinlich war, seine Millimeterschinderei. Die Kings kassierten eine Zeitstrafe, Demers nahm Torwart Roy vom Eis, brachte einen weiteren Stürmer und Verteidiger Eric Desjardins schaffte den Ausgleich, nachdem die Canadiens zuvor in 32 Powerplays nicht getroffen hatten.

Danach kam der dritte Schlüssel zum Tragen: die Nervenstärke der Kanadier in der Verlängerung. Spiel 2, 3 und 4 gewannen sie jeweils durch Sudden death, zehnmal in Folge blieben sie in den Play-offs Verlängerungs-Sieger – NHL-Rekord. Im zweiten Match war es Desjardins, der nach 51 Sekunden sein drittes Tor an diesem Abend schoß, der erste Hattrick eines Verteidigers in einem Finalspiel.

Im dritten Match im Inglewood Forum von Los Angeles stand Montreal zunächst erneut das Glück zur Seite, als der Schiedsrichter den Gastgebern beim Stande von 3:3 einen Penalty verweigerte. Carbonneau hatte 13 Sekunden vor der Schlußsirene im Torraum den Puck unter sich begraben. In der Verlängerung gab es dann das gewohnte Bild. Diesmal benötigte John LeClair nur 34 Sekunden zum Siegtreffer.

Im vierten Match, ebenfalls in Los Angeles, spielte wieder der Stock von Marty McSorley eine gewichtige Rolle. Diesmal wies er zwar die korrekte Krümmung auf, aber das half McSorley nichts, als er sein Arbeitsgerät wütend nach dem Schiedsrichter warf und dafür ein Zehnminutenstrafe kassierte. Dennoch konnten die Kings einen 0:2-Rückstand noch in ein 2:2 umwandeln und wieder nahte ihr Verhängnis in Gestalt der Verlängerung. Diesmal dauerte es immerhin fünf Minuten, bis John LeClair der Sache ein plötzliches Ende machte.

Im fünften Match stand dann Montreals vierter Schlüssel zum Erfolg im Mittelpunkt: Torwart Patrick Roy. Vor allem in den Overtime-Situationen hatte Roy sein Team vor Unheil bewahrt. 96 Minuten und 39 Sekunden überstand er, ohne den Puck aus dem Netz holen zu müssen, und meisterte in dieser Zeit 58 Schüsse. In Spiel 5 machte er unerschütterlich die dicksten Chancen von Gretzky, Kurri, Robitaille und Granato zunichte, nur McSorley, der diesmal seinen Schläger fest in der Hand behielt, konnte ihn bezwingen. Auf der anderen Seite trafen Di Pietro, Muller, Lebau und wieder Di Pietro zum komfortablen 4:1-Sieg der Montreal Canadiens.

„Die Serie war psychisch und physisch enorm anstrengend“, sagte Roy, der zum besten Spieler der Play-offs gewählt wurde, nach dem Cupgewinn und fügte generös hinzu: „Eigentlich hatte das Duell keinen Sieger verdient.“ Untröstlich war Wayne Gretzky. „Das ist die größte Enttäuschung meiner Karriere“, jammerte der 32jährige, und kündigte an, daß er in den nächsten Tagen mit seiner Frau besprechen werde, „was aus meiner sportlichen Zukunft wird.“ Mit biblischem Pathos hatte Gretzky sein Comeback nach langwieriger Rückenverletzung beschrieben: „Ich stand auf und antwortete der Glocke.“ Die nächsten Glocken, denen er antwortet, könnten gut die Abschiedsglocken sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen