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Gibt's 1994 wieder ABM?

■ Sozialsenator Runde beklagt Folgen der Rezession auch in Hamburg

auch in Hamburg

Die schwere Rezession in Westdeutschland greift in gedämpftem Ausmaß auch auf Hamburg über. Darauf hat Sozialsenator Ortwin Runde gestern aufmerksam gemacht. So stieg die Zahl der Arbeitslosen in Vergleich zum Vorjahr um 7,1 Prozent, sprich 4041 auf 60 955. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sank um 7600 auf 781 500 im Mai '93. Zum Vergleich: In Westdeutschland stieg die Zahl der Arbeitslosen um 26 Prozent.

Hamburg, so Runde, habe seine relativ günstigere Situation dem hohen Anteil der Beschäftigten im Dienstleistungssektor zu verdanken. Doch beim Rückgang der Beschäftigungszahlen — die sich noch nicht im vollen Umfang bei den Arbeitslosenzahlen niederschlagen — sei erstmals auch ein Arbeitsplatzabbau im tertiären Sektor zu verzeichnen. Vor allem im Bereich Handel und Verkehr wurden fast 8000 Arbeitsplätze vernichtet.

Allerdings ist der Löwenanteil der neuen Arbeitslosen (85 Prozent) auf die Streichung von ABM und Umschulungsmaßnahmen zurückzuführen. Hamburg habe außerdem als Folge der Rezession in den 80er Jahren mit einem hohen Sockel von Arbeitslosigkeit zu kämpfen, der durch den Aufschwung der letzten Jahre nur minimal abgebaut werden konnte. Drei Viertel dieser Arbeitslosen, so Runde, seien Arbeiter, Ausländer und Ungelernte. Um diese „dauerhaften Strukturopfer“ wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, reiche das für 1994 für Hamburg prognostizierte Wachstum von 1,5 Prozent niemals aus.

Der Sozialsenator forderte daher eine Fortsetzung der aktiven Arbeitsmarktpolitik für Hamburg. 3750 ABM-Stellen, 800 sogenannte LKZ-Stellen für ältere Arbeitnehmer und 12 750 neue Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen seien von der Sozialbehörde für 1994 bei der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg beantragt. Auf die Frage, wie realistisch dies sei, antwortete er allerdings: „Optimistisch bin ich nicht.“

Der Sozialdemokrat verurteilte gestern denn noch einmal die Bonner Kahlschlagspolitik, die den Aufbau-Ost über die Arbeitslosenversicherung der West-Bürger finanziere, statt eine Arbeitsmarktabgabe für Besserverdienende einzuführen. Ein Auffangen dieser Kürzungen durch die Hansestadt komme jedoch nicht in Frage. Wahlkampf hin, Wahlkampf her, das sei weder finanzierbar noch strukturpolitisch sinnvoll. kaj

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