: In Verbindung
■ Gegen den Kulturverfall: Das Radio der Aborigines
Eine rote Lampe über der Tür zum Studio signalisiert, daß Yuma auf Sendung ist. Mit tiefer Stimme spricht die Radiomoderatorin in das Mikrophon. Im Redefluß der ungewohnten, wohlklingenden Sprache tauchen ab und zu englische Wörter auf. Was gerade gesendet wird, sind die Nachrichten in Eastern-Arrernte, eine der sechs Aborogine-Sprachen, in denen CAAMA Radio sendet.
CAAMA Radio, hinter dieser Abkürzung verbirgt sich die erste Radiostation der australischen Ureinwohner, die Central Australian Aborigine Media Association. Hier wird Radio von Aborigines für Aborigines gemacht. In einem Konglomerat von geduckten Holzbungalows liegt die Radiostation am Stadtrand von Alice Springs, einer Kleinstadt in der Halbwüste des Northern Territory. In diesem Bundesstaat, der ein Sechstel des australischen Kontinents bedeckt, leben 150.000 Menschen. Mehr als ein Drittel sind Aborigines.
Die Gründung des Senders liegt dreizehn Jahre zurück. Damals, 1980, bestand das CAAMA-Team aus drei Freiwilligen und finanzierte sich aus Spenden. Das Startkapital bestand aus einem Gebrauchtwagen, einer Schreibmaschine, ein paar alten Möbeln und der Überzeugung, das eigene Schicksal selbst in die Hand nehmen zu können. Anfänglich gab es einmal in der Woche ein halbstündiges Programm, das auf der Frequenz des kommerziellen Senders in Alice Springs gesendet werden konnte. Vier Jahre später erhielt CAAMA-Radio seine eigene Lizenz.
Das Radio knüpft an die oral history an
Seit 1989 sendet nun 8 KIN FM per Satellit Programme für die Aborigines in ganz Zentralaustralien. Finanziert wird der Sender aus staatlichen Mitteln, Funkwerbung gibt es (noch) nicht. CAAMA-Manager Owen Cole sieht die Bedeutung einer eigenen Radiostation der Aborigines vor allem darin, mitbestimmen zu können über die Medien, die auch ihren Alltag beeinflussen, und leben sie noch so isoliert. „Es ist der Versuch, den Verfall unserer Kultur aufzuhalten. Wir wollen damit zeigen“, fügt er hinzu, „daß unsere Kultur und Sprachen immer noch intakt sind und daß wir stolz darauf sind.“
Anstatt dem Einfluß der Medien einfach ausgesetzt zu sein, will man sie sich zunutze machen. Mit modernen Medien alte Traditionen wahren, das ist ein Hauptanliegen von CAAMA. Dem Radio kommt dabei eine besondere Rolle zu, denn trotz des steigenden Einflusses des Fernsehens konnte es seine Rolle behaupten. Radio hören, das knüpft an an die Tradition der mündlichen Überlieferung, die eine wesentliche Rolle in der Kultur der australischen Ureinwohner spielt. Und so gibt es selbst in den entlegensten Camps eifrige Hörer.
„Promos“ warnen vor Aids und Alkohol
Wie klingt nun Aborigine Radio? Achtzehn Stunden täglich unterhält 8 KIN FM seine ZuhörerInnen. Gesendet wird in sechs Aborigine-Sprachen und Englisch. Das Programm ist eine bunte Mischung aus Musik, Nachrichten, aktuellen Beiträgen und Features. Praktischer Rat soll das tägliche Leben erleichtern, so beispielsweise die Tips für Behördengänge. In sogenannten Promos, kurzen Spots, wird über die Gefahren von Trunkenheit am Steuer und Aids aufgeklärt. Täglich werden die neuesten Nachrichten in Arrernte, Pitjantjatjara, Luritja, Walpiri, Kaytetye und Anmatyerre übersetzt. Dabei finden vor allem Themen Berücksichtigung, die besonders für die Aborigines interessant sind und die bei den kommerziellen Medien unter den Tisch fallen.
Zweimal in der Woche unterhält Radio Bushfire seine etwa 1.300 jugendlichen Zuhörer in den isolierten Bush Schools. Im Mittelpunkt jeder Sendung steht ein Thema, zum Beispiel Leben in der Stadt, Kamele oder Sport, das über mehrere Episoden behandelt wird. Daneben gibt es Musik, Ratespiele und Geschichten.
CAAMA bezeichnet sich als „family radio“. In der Praxis bedeutet das die größtmögliche Einbeziehung der HörerInnen. Mythen und Legenden der Ureinwohner und Berichte aus den Communities sind ebenso Bestandteil des Programms wie die „Hospital Show“ und „Greenbush“, Hörerprogramme für die Übermittlung von Musikwünschen und Grüßen. Während die „Hospital Show“ helfen soll, den Kontakt zwischen Patienten und ihren Angehörigen aufrechtzuerhalten, ermöglicht Greenbush Gefängnisinsassen in Alice Springs, mit ihren Freunden und Verwandten in Verbindung zu bleiben.
Musik, die nicht von Liebe handelt
Einen besonderen Schwerpunkt bildet natürlich das Musikprogramm. CAAMA verfügt über ein eigenes Studio, in dem die inzwischen weltbekannte Aborigine- Band Yothu Yindi (sie war auch schon auf Tournee in Deutschland) vor fünf Jahren ihre Karriere begann. Auch unbekannte Gruppen haben die Möglichkeit, Studioaufnahmen zu machen. Nicht selten kommen die Musiker zu Fuß aus den weit entfernten Siedlungen in der Halbwüste und kampieren während ihres Aufenthaltes draußen vor dem Studio.
„Manchmal transportieren wir auch das ganze Studio in den Busch, um Aufnahmen zu machen“, berichtet Stan, der gerade seine Ausbildung zum Tontechniker bei CAAMA abgeschlossen hat. Die Musik der Ureinwohner handelt nicht von Liebe, sie ist vielmehr eine Auseinandersetzung mit der Lebensrealität. Probleme wie Alkohol, Gewalt und Identitätsverlust spielen darin eine große Rolle. Der Rhythmus knüpft dabei oft an die traditionellen Gesänge an. Aber nicht nur die traditionelle Musik erfreut sich großer Beliebtheit, sondern auch die Heavy-Metal-Show und das wöchentliche Gospelprogramm der 60jährigen Aunty Emily haben ihren festen Hörerstamm.
Für die Zukunft sieht CAAMA seine Aufgabe darin, noch mehr Sprachen der Ureinwohner in das Radioprogramm miteinzubeziehen und vor allem verstärkt Aborigines im Medienbereich auszubilden. Elke Hughes
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