: Bessere Luft im Jahr 2000
Auspuffgase bei Neuwagen ab 1996 sauberer / Sommersmog-Verordnung kommt noch vor der Sommerpause 1993: wirksam erst ab 1995 ■ Von Hermann-Josef Tenhagen
Berlin (taz) – Irgendwann, in einigen Jahren, wird die Luft im Sommer wieder besser – zumindest wenn Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) das erreicht, was er sich für diesen Monat noch vorgenommen hat. Ende Juni will Töpfer bei der Sitzung der EG- Umweltminister Stufe zwei der unendlichen Geschichte des Katalysators europaweit festschreiben. Ab 1996 sollen danach alle Neuwagen, die mit Benzin angetrieben werden, nur noch die Hälfte der heute zulässigen Stickoxide und Kohlenwasserstoffe, wie das krebserregende Benzol, in die Luft blasen dürfen. 0,5 Gramm Kohlenwasserstoffe und Stickoxide pro Kilometer sind dann noch erlaubt. Notwendig seien dazu lediglich deutlich verbesserte Katalysatoren, sagt das Ministerium.
Hauptziel der EG ist die Luftverbesserung in den Großstädten und die Verringerung der sommerlichen Ozonbelastung, die durch die Reaktion von Stickoxiden und Kohlenwasserstoffen bei Sonnenschein entstehen. Die europäische Einigung bleibt allerdings deutlich hinter den für 1994 in den USA vorgeschriebenen Standards zurück. Zudem dürfen die alten Dreckschleudern bis zum Ende ihrer Lebensdauer die Luft weiter verpesten.
Praktisch gleichzeitig mit dem EG-Beschluß gegen die Luftverpester will Töpfer endlich die lang angekündigte Sommersmog-Verordnung durch das Kabinett puschen. „Wir gehen davon aus, das dies vor der Sommerpause klappt“, so seine Sprecherin Marlene Mühe gestern. Schließlich habe man sich mit dem Verkehrsministerium in den wesentlichen Streitfragen inzwischen geeinigt.
Nach der Verordnung wird den Kommunen die Möglichkeit gegeben, bei Sommersmog alle alten Autos ohne Katalysator und alle nicht-schadstoffarmen Diesel aus belasteten Gebieten auszusperren. Maßgeblich sind neue Grenzwerte für Stickoxide, Benzol und Ruß. Der Grenzwert für Stickoxide soll zum Beispiel bei 160 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen. Nachteile der neuen Regelung: Die Grenzwerte für Benzol und Rußpartikel von acht bzw. zehn Mikrogramm pro Kubikmeter müssen nach dem Kompromiß erst 1998 eingehalten werden. Einen Ozon- Grenzwert gibt es auch weiterhin nicht. Töpfers Ministerium argumentiert, man brauche keine Ozon-Grenzwerte, wenn man die verursachenden Stickoxide und Kohlenwasserstoffe regele. Wirksam werden soll die Verordnung erst im Juli 1995 – weil die Kommunen noch nicht die nötigen Meßeinrichtungen installiert hätten.
Daß saubere Motoren und Straßensperrungen eigentlich längst überfällig sind, zeigt ein Blick auf die Luftbelastung der vergangenen Wochen. Erst am Donnerstag waren die Ozonwerte im Rheinland wieder auf 240 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gestiegen. Schon bei 60 Mikrogramm Ozon reagieren Pflanzen empfindlich, bei nur wenig höheren Werten kommt es bei Getreide zu emfindlichen Ernteeinbußen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt als Grenzwert für Menschen 180 Mikrogramm.
Verantwortlich sind vor allem die Autofahrer. Der Autoverkehr produziert inzwischen 73 Prozent der Stickoxide. Die Stickoxidemissionen sind in der Bundesrepublik zwar insgesamt leicht zurückgegangen, aber gerade im Autoverkehr sind sie „mit Sicherheit nicht zurückgegangen“, erklärt Holger Brackemann vom Umweltbundesamt.
Brackemann macht auch klar, daß selbst die von Töpfer erzwungenen neuen Katalysatoren erst in etlichen Jahren zu einer wirklichen Reduzierung des Sommersmog führen werden. „Um wirklich signifikant zu wirken, müssen wir die Stickoxidemissionen um 70 bis 80 Prozent veringern.“ Doch erst für das Jahr 2000 sollen die EG- Grenzwerte noch einmal verschärft werden: Auf 0,2 Gramm Kohlenwasserstoffe und Stickoxide pro Kilometer (heute 1,13 g bei Neuwagen). Bis dahin gilt: Bei Ozonalarm Autos auf die Straße und Kinder einsperren.
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