: Pfälzer Ami
Die deutschen Kicker schlagen die US-amerikanischen vor unbelecktem Publikum mit 4:3 ■ Aus Chicago Thomas Samboll
Thomas Dooley kam nach dem Spiel seines US-Teams gegen die DFB-Auswahl erst so richtig ins Schwitzen. Zahlreiche einheimische Journalisten rissen sich nämlich um ein Statement des zweifachen Torschützen – doch der Mittelfeldmann vom 1.FC Kaiserslautern spricht so gut wie kein Englisch, dafür aber einen einwandfreien Pfälzer Dialekt. Zwar hat der 32jährige amerikanische Vorfahren, doch er war erst vor ein paar Jahren zum ersten Mal in den Staaten – und sowieso, auf dem Betzenberg wird eh nicht lange geredet, schon gar kein Englisch. Ein hilfreicher RTL-Reporter übersetzte schließlich die ersehnten Worte des neuen US-Soccer-Stars für die US-Soccer-Reporter.
Tom Dooley ist jedoch nur ein Beispiel für das enge Beziehungsgeflecht, das sich am Sonntag beim Fußballänderspiel in Chicago um das runde Leder herum zwischen Deutschen und Amerikanern knüpfte. Sprachlos wie Tom Dooley mußte man zum Beispiel zur Kenntnis nehmen, daß die einheimischen Soccer-Fans auf Jürgen Klinsmann genauso abfahren wie auf Lothar Matthäus. Die Erklärung, daß Matthäus zu den besten Spielern der Welt gehöre, mag ja zu den Mailänder Zeiten des Münchners noch gegolten haben – spätestens nach dem Match in Chicago zwingt sie jedoch nur noch ein müdes Lächeln hervor. Bei Jürgen Klinsmann dagegen beruht die herzliche Sympathie auf Gegenseitigkeit: „Ich liebe dieses Land und komme jedes Jahr wieder hierher“, entpuppt sich der Mann aus Monaco als USA-Fan. Eine Leidenschaft, die er mit Bundestrainer Berti Vogts teilt, der sich nach dem US-Cup erstmal „ein paar Wochen nach Alaska und dann an die Golfküste“ absetzen will.
Doch nicht nur auf dem Rasen, sondern auch auf den Rängen des gut gefüllten Stadions mit dem wenig einladenden Namen „Soldier Field“ ging es eher zu wie bei einer Familienfeier. Chicago gehört zu denjenigen amerikanischen Städten, die bis in die sechziger Jahre hinein zu den beliebtesten Zielen deutscher Auswanderer zählten. Ihre Spuren sind bis heute im Stadtbild unübersehbar. Eine Fahrt entlang der Milwaukee Avenue hinein ins Herz der Metropole kann einem so vorkommen wie der Blick ins Branchenbuch von Bonn. Ein gewisser Max Gerber betreibt dort zum Beispiel ein Sanitärgeschäft, während sich E. Meyer und John Mai mehr auf das Polstern von Möbeln bzw. Särgen spezialisiert haben. John, Max, Herr Meyer und alle anderen aus der Milwaukee Avenue waren natürlich auch am Sonntag im Stadion, bekleidet mit Trikots der DFB- Auswahl und Baseball-Mützen der Chicago White Socks. Andere wiederum kamen in der Kluft ihrer eigenen Vereine, wie zum Beispiel die Jungs und Mädchen vom Schwaben Athletic Club. Zwar dominieren in diesen Clubs wie überall in Amerika immer noch Basketball und Football, doch nimmt der „Soccer“ mittlerweile schon Platz drei in der Sporthitliste der Kids ein. Trotzdem waren die meisten von ihnen jedoch am Sonntag zum ersten Mal bei einem Fußballspiel. „Ich kenne mich besser mit Unterwasser-Polo als mit Soccer aus“, gestand Thomas Lichtenfeld, 16jähriger Sproß einer Einwandererfamilie mit Bundesadler auf der Brust ein. Von Nationalstolz allerdings auch bei ihm keine Spur. „It's a big fun“, meint Thomas und unterscheidet sich damit ebenso wie die anderen Deutsch-Amerikaner an diesem Tag wohltuend von den Hohlköpfen in bundesdeutschen Fußballstadien. „Wir freuen uns auf ein aufregendes Match, und vielleicht kann das US-Team dem Berti ja ein bißchen Herzklopfen bereiten“, meint auch Thomas' Mutter. Daß dem am Ende nicht ganz so war, mag auch an Bertis Liebe zu diesem Land gelegen haben. Nach dem Spiel meinte der Bundestrainer, daß man sich in den letzten 20 Minuten der Partie plötzlich wieder daran erinnert habe, in Chicago zu Gast zu sein – und deshalb, so Vogts, habe sein Team eben noch ein paar Geschenke verteilen wollen und zwei weitere Gegentore zugelassen. Berti nahm's jedenfalls gelassen, Amerikas Soccer-Fans, egal welcher Abstammung, sind zufrieden. Max Gerber, John Mai, Herr Meyer und die Lichtenfelds aber werden sicherlich einen zünftigen Abend im Café Lutz oder im Schwaben-Bräuhaus an der Lincoln-Avenue verbracht und dabei genüßlich das NBA-Basketball- Endspiel verfolgt haben.
Deutschland: Köpke - Buchwald - Kohler (74. Helmer), Schulz - Strunz, Effenberg (60. Möller), Matthäus, Bein, Ziege - Riedle, Klinsmann (70. Pflipsen)
Zuschauer: 53.459
Tore: 0:1 Klinsmann (14.), 1:1 Dooley (25.), 1:2 Riedle (34.), 1:3 Riedle (40.), 1:4 Riedle (59.), 2:4 Stewart (72.), 3:4 Dooley (80.)
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