■ Nationalradio: Symbolgeburt am 17. Juni
Berlin (dpa/taz) – Das geplante Nationalradio soll mit zwei Programmen unter der Senderkennung „Deutschlandradio“ am 1.1. 1994 auf Sendung gehen. Die Ministerpräsidenten der Länder und Kanzler Kohl werden hierzu am Donnerstag, 17. Juni mehrere Staatsverträge unterzeichnen. Bereits gestern abend wurde der Gesellschaftervertrag zur Überleitung von fünf Klangkörpern in Frankfurt/M. unterzeichnet. Damit ist absehbar, daß das Projekt Nationaler Hörfunk endlich auch den Adressaten erreicht, denn die Hörer zahlen dafür seit 1992 schon monatlich 70 Pfennig der Rundfunkgebühr – fürstliche 300 Millionen Mark Radioetat pro Jahr, die überwiegend auf Festgeldkonten geparkt sind.
Die Schaffung des neuen werbefreien Radios ermöglicht die Zusammenführung von drei Sendern aus den Zeiten des Kalten Krieges, des Deutschlandfunks (DLF) in Köln, des RIAS Berlin und des Deutschlandsenders-Kultur (DS- Kultur) vom früheren DDR- Rundfunk.
Drei Jahre dauerten die Verhandlungen, immer wieder kollidierte das Vorhaben an den Interessen des Bundes oder der Länder. Nicht minder hart sind die Auseinandersetzungen zwischen den beteiligten Sendern: Hier geht es um die Reduzierung von Personal, Programm und Frequenzen. Nur noch 710 Planstellen soll das neue „Deutschlandradio“ mit seinen Funkhäusern in Köln und Berlin bekommen. 1.032 Planstellen haben derzeit RIAS und DLF, 186 der DS-Kultur. Die Übernahme durch die Deutsche Welle wird den größten Teil des Personal-„Überhangs“ auffangen. Für die Mitarbeiter von DS-Kultur gilt zudem, daß sich die künftige Rundfunkanstalt die Übernahme im Einzelfall vorbehält. Nur die Hälfte der Deutschen werden das neue Radio auch hören können. Die Frequenzen reichen nicht aus, die Bereitschaft der Länder, zusätzliche Empfangsmöglichkeiten zu schaffen, ist mehr als begrenzt. Das Programm aus Köln soll im wesentlichen dem jetzigen Profil des DLF entsprechen, für Berlin bestehen zwei Varianten: entweder ein „Tagesbegleitprogramm“ mit Kulturstrecken ab nachmittags oder „Begleitradio“ morgens, mittags und abends, jeweils unterbrochen von großflächigen Kulturstrecken.
Derzeit aussichtsreicher Kandidat für den Intendantenposten ist der SPD-Mann Günther Verheugen, der auch Rundfunkratsvorsitzender der Deutschen Welle ist. Schon jetzt ist klar, daß die Postenbesetzung in Berlin und Köln eine Angelegenheit ausgeklügelter Parteienarithmetik wird. In Berlin und Köln werden jeweils Programmdirektionen unterhalten. An beiden Standorten werden Nachrichtenredaktionen etabliert – in Köln eine größere. Dafür wird in Berlin eine größere Kulturredaktion geschaffen. Sport, Feature und Hörspiel kommen nach Berlin, Kirchenfunk, Wirtschaft und Landfunk nach Köln. Programme für Ausländer sind bislang nicht vorgesehen.
Die Klangkörper bleiben in Berlin. Eine eigene GmbH vereint das Radio-Sinfonieorchester, Rundfunksinfonieorchester, den RIAS- Kammerchor, Berliner Rundfunkchor und das RIAS-Tanzorchester. Zusammen sind das 349 Planstellen, die zu den 710 des „Deutschlandradios“ hinzukommen. Getragen wird die GmbH zu 35 Prozent vom Bund, zu 20 Prozent vom Land Berlin, zu fünf Prozent vom SFB und zu 40 Prozent vom „Deutschlandradio“.
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