„Eine Meile von Bank- und Steakhäusern“

■ Auf und rund um den Kurfürstendamm verschärft sich der Verdrängungswettbewerb/Immer mehr Cafés müssen schließen

Die Berlin-Nostalgiker haben noch bis Ende Juni Zeit. Dann nämlich schließt das traditionsreiche Café Möhring auf dem Kurfürstendamm 234, unweit der Gedächtniskirche. Vor 95 Jahren gegründet, gab der Feinkostunternehmer Kurt Pfennig unlängst das Ende des Etablissements bekannt. Dabei ließ Pfennig vor kurzem noch verlauten, das Lokal solle umgebaut und verkleinert werden. Doch dafür hätten 1,5 Millionen Mark aufgebracht werden müssen – eine Summe, die das Möhring laut Pfennig niemals hätte erwirtschaften können. Nunmehr wird, wo noch ältere Damen und Herren genüßlich Kaffee schlürfen und Sahnetorten konsumieren, jugendliches Publikum auf Modejagd gehen. Mit Hennes & Mauritz zieht demnächst ein Modehaus ein, das bereits zwei Filialen am Ku'damm hat. Bleiben wird für die Möhringfans das gleichlautende Café an der Uhlandstraße, Ecke Ku'damm.

Für Peter Hosemann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft City und Geschäftsführer der Spielbank Berlin im Europacenter, bedeutet die Aufgabe des Cafés „nicht den Dammbruch, dem andere alteingesessene Cafés in der westlichen Innenstadt folgen werden“. Das Möhring habe den Trend der Zeit einfach verschlafen: „Wer heute nur Kaffee und Kuchen anbietet, der hat es schwer – besonders am Ku'damm.“ Als Beispiel für ein gutgehendes Café, das sich an die alte Kaffeehaustradition anlehne, nennt Hosemann das Operncafé Unter den Linden, das mit einer Fülle von Gerichten aufwarte: „Hier hat man für jede Altersklasse, für jeden Geschmack etwas zu bieten und somit auch Erfolg.“ Zumindest wenn man der Geschäftsführung glauben darf, die von einer Umsatzverdoppelung spricht.

Am Ku'damm scheint für Cafés die Krise eingezogen zu sein. Das Kranzler mußte im letzten Jahr einen Umsatzrückgang um zehn Prozent hinnehmen, dem Café Senst am Olivaer Platz droht die Schließung im nächsten Jahr, sollte der Umsatz nicht steigen. Wer am Ku'damm heutzutage ein Geschäft betreiben will, muß tief in die Tasche greifen. Immerhin gibt der Maklerverband für den westlichen Citybereich für das erste Halbjahr bei den Gewerbemieten Spitzenwerte von bis zu 380 Mark pro Quadratmeter an. Angesichts solcher Preisvorstellungen kann Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer vom Gesamtverband des Einzelhandels, nur mit dem Kopf schütteln: „Wir müssen wirklich aufpassen, daß wir nicht eine Meile von Bank- und Steakhäusern bekommen.“

Aber auch in den Seitenstraßen haben Geschäfstleute zu kämpfen. Beate Caspar, Inhaberin des italienischen Spezialitätengeschäftes Maccherone d'Oro in der Ludwig- Kirch-Straße zahlt derzeit für 120 Quadratmeter Fläche rund 7.000 Mark Miete im Monat. Derzeit steht sie in Verhandlungen mit ihrem Vermieter, um zumindest für den Keller eine Mietminderung zu ereichen: „Mit 30 statt 60 Mark pro Quadratmeter wäre mir schon geholfen.“ Caspar kann das Sterben der Konkurrenz in ihrer Straße hautnah beobachten. Eine Kollegin, die nebenan eine Damenboutique betrieb, mußte erst am 12. Juni dichtmachen. „Es ist nicht nur die Miete, die viele von uns belastet“, schränkt Caspar ein. Hinzu kämen mangelnde Parkmöglichkeiten in den Seitenstraßen und rigide Strafzettel verteilende Politessen, die Kunden abschreckten. „Wenn im Bezirk weiter Straßen zurückgebaut werden, kann ich dichtmachen.“ Ein Geschäft wie das ihrige, das teure Produkte anbiete, könne von den Bewohnern im Viertel allein nicht leben.

Die Umwandlung der City ist im vollen Gange. Unterhalb des Bahnhofs Zoo mußten jüngst ein Frisör-, ein Foto- und ein Porzellanladen aufgeben. Die Geschäfte, Eigentum der Deutschen Reichsbahn (DR), stehen bislang leer. Bleiben darf vorerst in der Hardenbergstraße am Zoo die 1945 gegründete Heinrich-Heine-Buchhandlung. Der kleine Laden, in dem sich die Bücher bis unter die Decke stapeln, war der DR ein Dorn im Auge gewesen. Sie wollte dort – ähnlich wie in vielen westdeutschen Bahnhöfen – einen gestylten Buchladen unterbringen. Immerhin: Nach einem Aufschrei der Öffentlichkeit zog der Eigentümer, die DR, die Kündigung des Mietvertrages Ende letzten Jahres zurück. Einer Änderung des alten Vertrags, der die Heine-Buchhandlung günstigere Konditionen eingeräumt hätte, wollte die DR allerdings nicht zustimmen. So verbleibt dem einzigartigen Laden eine kleine Atempause. Mitarbeiterin Ulrike Presting: „Wir sind weiterhin jederzeit kündbar.“ Severin Weiland