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Verbreitete Ambivalenz

■ betr.: "Problemlösung durch Umbenennung?", "Der europäische Kulturgarten", taz vom 14.6.93

betr.: „Problemlösung durch Umbenennung?“ (Der Kunstgriff mit der doppelten Staatsbürgerschaft) von Vera Gaserow, „Der europäische Kulturgarten“ (Ein Zivilisationsvergleich, angeregt durch R. Augstein) von Ömer Erzeren, taz vom 14.6.93

Am 14.6. habt Ihr die Kritik Ömer Erzerens an Rudolf Augstein abgedruckt. Das ehrt Euch. Aber habt Ihr ihn auch begriffen? Stimmt Ihr dem zu?

Der Artikel von Vera Gaserow zerfällt nämlich ganz merkwürdig in zwei Teile. Die erste Hälfte ist so vernünftig wie die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft (die in fast allen Staaten der Welt zulässig ist, nur in der BRD nicht). Die zweite Hälfte stürzt sich gerade wie Augstein auf eine grundlegende Andersartigkeit, aber wessen? Etwa des Gemüsemannes? Des männlichen Bartwuchses? Und wo will sie, bitteschön, „türkische Söhne mit Kampfhunden“ beobachtet haben?

Weitere Zumutungen an den gesunden Menschenverstand, die aber dem gesunden Volksempfinden gewiß nicht als Zumutung zu gelten haben: Mehrere Pässe zu haben sei keinesfalls der Ausdruck einer „schlicht pragmatischen Beziehung“ zum Thema Staatlichkeit, sondern der eines übersteigerten Nationalismus. Die Forderung, sich zu entscheiden für einen Staat, der sich noch dazu per ius sanguinis definiert, ist dann vermutlich sehr nüchtern und pragmatisch. Vielleicht gar kosmopolitisch?

Oder auch: die desolaten Hauptschulen. Das sind doch wohl deutsche Hauptschulen? Oder ist ihr desolater Zustand etwa Schuld der Türken? Und wie wär's damit, diesen Zustand vielleicht mal zu beheben? Damit die, natürlich einzig und allein aufgrund von „sprachlichen Defiziten und familiären Spannungen“ (der türkischen Familien, klar doch) abgeschobenen (nämlich in die Hauptschulen) Türkenkinder ihren „niedrigen Bildungsstand“ heben.

Und was „blockiert“ nun gar „die eigenen Zukunftsperspektiven“ (der Türken)? „Die eigene Ambivalenz“ (die der Türken, wohlgemerkt)! Könnte es sein, daß Vera Gaserow den Türken ein wenig ambivalent gegenübersteht? Einerseits sind die Türken ja Ausländer, und wir wollen ja nicht ausländerfeindlich sein, andererseits die Türken, also die sind doch wirklich merkwürdig. Ehe wir denen Rechte geben, da wollen wir doch ganz sicher gehen, daß sie auch fest auf dem Boden der FDGO stehen.

Eine solche Ambivalenz ist durchaus verbreitet, auch bei Menschen mit humanistischen Ansprüchen. Sie ist sogar bis zu einem gewissen Grade verständlich. Sie braucht auch keinen Schaden anzurichten, jedenfalls dann nicht, wenn der/die Betreffende sich ihrer bewußt ist, sie rational im Griff behält und nicht versucht, damit Politik zu machen oder Artikel zu schreiben. Pia Köppert, Hamburg

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