EG-Troika macht Druck

■ In Zentralbosnien kämpfen Serben und Kroaten nun gemeinsam

Split/Genf (taz) – „Die Kämpfe zwischen den verfeindeten ehemaligen Verbündeten, zwischen Kroaten und Muslimanen, in Zentralbosnien nehmen wieder zu“, tönt es lapidar aus den Radiosendungen. Die Kürze der 20-Sekunden-Spots verbirgt eine grausame Realität. In Bosnien geht der Vernichtungskrieg gegen die Muslime weiter. Und immer mehr Anzeichen deuten darauf hin, daß die politische Einigung der beiden ehemals verfeindeten Truppen der kroatisch-bosnischen HVO und der serbisch-bosnischen Armee sich nun auch in ganz konkreter „Zusammenarbeit“ niederschlägt. So werden zum Beispiel die westlichen Zugänge von Tesnaj von Kroaten, die östlichen und nördlichen von Serben kontrolliert, die Stadt ist seitdem vom zentralbosnischen Zenica abgeschnitten.

Ein weiteres Anzeichen der Zusammenarbeit ist, daß die kroatische Seite verwundete kroatische Kämpfer auf serbisch besetztes Territorium bringen kann. Auch die versuchte Flucht von Tausenden von kroatischen Einwohnern der zentralbosnischen Stadt Vares in Richtung serbisch besetztes Gebiet um Sarajavo kann als Anzeichen dafür gelten, daß die kroatische Seite nun psychologisch ihren Hauptfeind in den Muslimanen Bosniens sieht. Wie schon auf der serbischen Seite zeigt die antimuslimische Propaganda der kroatisch-westherzegowinischen Führung nun auch in der kroatisch- bosnischen Landbevölkerung Wirkung.

Gleichzeitig wächst in der kroatischen Öffentlichkeit die Unruhe über die Politik des Präsidenten der selbsternannten kroatischen Republik Herceg-Bosna, Mate Boban. In einer Parlamentsdebatte waren sich die Oppositionsparteien einig, daß der Konflikt mit den Muslimanen so schnell wie möglich beigelegt werden sollte. Daß die Aussichten hierfür schlecht sind, erwies sich jedoch nach einem Interview mit dem führenden Politiker der Regierungspartei HDZ, Vladimir Seks. Der mochte letzte Woche nicht mehr für Leben und Eigentum der 300.000 bosnischen Flüchtlinge in Kroatien garantieren.

Nach internen Beratungen in Zagreb und einem Treffen mit der EG-Troika am Samstag in Brüssel, an denen Präsident Alija Izetbegović und sein Vize Ejup Ganić nicht teilgenommen hatten, werden die sieben Mitglieder des bosnischen Präsidiums am heutigen Montag in Genf zu weiteren Gesprächen erwartet. Dabei wird der Druck auf die Präsidiumsmitglieder, erstmals auch mit den Führern der bosnischen Serben und Kroaten über deren Dreiteilungspläne für Bosnien zu verhandeln, immer stärker.

So forderte der Staatssekretär im britischen Außenministerium, Hogg, die Bosnier auf, jetzt schnell „umfassende und vernünftige Verhandlungen aufzunehmen“. Auch der EG-Ratsvorsitzende, Dänemarks Außenminister Petersen, drängte auf Direktverhandlungen mit Serben und Kroaten. Nur der für Außenbeziehungen zuständige EG-Kommissar, der niederländische Ex-Außenminister van den Broeck, erklärte, man müsse „höchst mißtrauisch“ gegenüber den serbisch-kroatischen Plänen sein. Als Druck auf die bosnische Führung wirken sich auch die Drohung von UNO-Generalsekretär Butros Ghali aus, die UN-Truppen aus Bosnien und Kroatien zurückzuziehen, sowie Sondierungen des UN-Vermittlers Stoltenberg über eine (Teil)aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Serbien.

Ghali begründete seine Drohung mit der „nicht mehr akzeptablen“ Gefährdung der UN-Soldaten, in den letzten 18 Monaten sind 46 Blauhelme ums Leben gekommen. Der kroatische Präsidentschaftsrat hatte am Freitag die von Ghali vorgeschlagene dreimonatige Verlängerung des Mandats der in Kroatien stationierten 14.000 UNPROFOR-Soldaten abgelehnt. Der Rat schlug statt dessen eine einmonatige Verlängerung vor. Während dieser Zeit müsse endlich die im Vance-Plan vorgesehene Wiederherstellung der vollen kroatischen Autorität über die serbisch besetzten Gebiete durchgesetzt werden. Stoltenberg lies gegenüber Journalisten durchblicken, daß Serbiens Präsident Milošević ihn dränge, sich zumindest für eine Teilaufhebung der gegen Belgrad gerichteten Wirtschaftssanktionen der UNO einzusetzen. Stoltenberg deutete an, daß er dieses tun werde– ein Vorstoß, den er mit der sich verschärfenden Versorgungslage der Bevölkerung Serbiens begründen dürfte. E. Rathfelder/A. Zumach