: Abschiebung bei vollem „Kontingent“
■ Gedanken eines sächsischen Polizisten über praktische Durchsetzung, illegale Einwanderung und Bürgerwehren
Verminderte Rechtssicherheit und ein erhöhtes Konfliktpotential sieht der Referatsleiter Verbrechensbekämpfung im sächsischen Landespolizeipräsidium, Helmut Spang, als Folge der neuen Asylgesetzgebung auf den Freistaat zukommen. In den drei Regierungsbezirken des Landes soll jeweils eine „Abschiebegruppe“ von 15 PolizistInnen eingesetzt werden – mehr lasse die Personalsituation der sächsischen Polizei nach Einschätzung Spangs nicht zu. Jede Abschiebegruppe verfügt über einen „Abschiebebus“, die Flüchtlinge werden auf drei Erstaufnahmelager verteilt.
Jedes Aufnahmelager hat eine Kapazität von etwa tausend Plätzen. In der „Zentralen Abschiebestelle“, hier korrigiert sich der Beamte, in der „Zentralen Prüfungsstelle“ in Chemnitz werde das Verfahren „papiermäßig durchgezogen“. Sobald das „Kontingent“ für einen Bus „vorhanden“ sei, werde „die Abschiebung durch die Abschiebegruppe durchgeführt“.
Trotz der prekären Personallage der Polizei sollen keine privaten Wachmannschaften für diese Aufgaben herangezogen werden. Es sei jedoch möglich, so Spang, daß man sich „irgendwann“ zu einer Trennung zwischen Vollzugsbeamten und Angestellten entschließt – das heißt, wie beim Bundesgrenzschutz, auch zum Einsatz freiwilliger Hilfspolizisten. Bürgerwehren als eine Form der „Zusammenarbeit“ von Polizei und grenznaher Bevölkerung lehnt der Referatsleiter ab: „Das ist für alle Beteiligten viel zu riskant.“ Das Gewaltmonopol des Staates müsse gewahrt bleiben. Derzeit gibt es zwar nach Kenntnis der zuständigen Dienststellen in Sachsen keine aktiven Bürgerwehren. Jedoch seien die Bürgerwehren als „latent vorhandene Gruppierungen“ zu verstehen, die ihren Zusammenhalt „durch Wirtshausbesuche pflegen“ und sich zu gegebenem Anlaß „reaktivieren“. Sollte es so sein, daß ein Ansteigen von Delikten „durch vermeintliche Ausländer“ verschuldet werde, könnte Spang sich eine „Steigerung dieses Potentials durchaus vorstellen“.
Die Rechtssicherheit für die BürgerInnen wird nach Dafürhalten des Polizisten insofern gemindert, als in den ohnehin nur dünn besetzten Polizeidienststellen nun noch „eine gewisse Zahl“ von Beamten fehlt, die mit der Durchsetzung des neuen Asylrechts beschäftigt ist. Das „höhere Konfliktpotential“ erwartet Spang jedoch in den Erstaufnahmelagern – aber auch dadurch, daß sich mehr Illegale im Land aufhalten werden.
Zurückhaltend äußerte sich der Referatsleiter zur praktischen Durchsetzung des „Asylrechts“ gegenüber Illegalen. Die Konsequenz, daß alle als „Ausländer“ erkennbaren Personen einem permanenten Verfolgungsdruck durch die Polizei ausgesetzt sein werden, schloß er nicht aus. Unter der Voraussetzung, „daß wir als Reaktion auf das neue Gesetz in zunehmendem Maße ein Abtauchen in die Illegalität oder überhaupt das illegale Übertreten der Grenzen und das Nicht-Melden bei den Behörden“ feststellen, könnte eine Situation entstehen, in der „die Polizei einfach jeden Ausländer kontrolliert“. Zwar sei es nicht einfach möglich, jemanden nur deshalb, weil er eine schwarze Hautfarbe hat, nach dem Ausweis zu fragen. Doch „wenn es mal soweit ist, daß jeder Polizist in sich das Verdachtsraster hat: das ist ein Schwarzer, der wird vielleicht illegal dasein, dann ist das natürlich machbar, und dann wird das auch gemacht werden müssen“.
Skeptisch äußerte sich der leitende Polizeibeamte zum Effekt der neuen Rechtsverhältnisse. Eine gewisse Besserung verspricht er sich schon vom neuen Gesetz. „Ob es aber – was ja Sinn der Sache ist – durchschlägt bis in die Herkunftsländer, so daß denen klar ist, es bringt nichts, bis ins Gelobte Land Bundesrepublik zu gehen, weil man da sehr schnell wieder rausfliegt, da bin ich mir nicht sicher.“ Detlef Krell, Dresden
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