: SPD macht Front gegen Besuch Le Pens
■ Rechte Fraktion im Europaparlament will am 9. November kommen / Wirtschaft und Politik zum Boykott aufgerufen
Die Aufforderung war knapp und unmißverständlich. Er möge, so bat der Generalsekretär der „technischen Fraktion der Europäischen Rechten“, Jean-Marc Brissaud, den Generalsekretär des Euopäischen Parlaments am 9.Juni, seiner Fraktion den üblichen Service des Parlaments zur Verfügung stellen, um einen erfolgreichen Verlauf des Treffens zu gewährleisten. Die Gruppe werde sich vom 8. bis zum 12. November in Berlin versammeln, Verkehrssprachen seien Französisch, Deutsch und Niederländisch.
Die Antwort war genauso unmißverständlich. Sie kam nicht vom Generalsekretär Vinci, sondern vom Berliner SPD-Vorsitzenden Ditmar Staffelt. Der befand gestern kurz und bündig, daß diese „Provokation der rechten Damen und Herren um den 9. November verhindert werden muß“. Staffelt befürchtet nicht nur, daß die 14 Parlamentarier ihren Aufenthalt zu Kontakten mit hiesigen Rechtsradikalen nutzen, für ihn ist es erschwerend, daß sie am Jahrestag der Judenpogrome, der „Reichskristallnacht“ von 1938, in der Stadt sein wollen. Berlin könne das nicht widerspruchslos hinnehmen.
In der Rechten-Fraktion des Europäischen Parlaments dominiert die französische Front National unter ihrem Führer Jean-Marie Le Pen, der gleichzeitig Fraktionsvorsitzender ist. Ihr gehören Mitglieder des belgischen Vlaams Blok genauso an wie versprengte Ex-„Republikaner“, darunter der ehemalige Bundessprecher Harald Neubauer und der baden-württembergische Landesvorsitzende Klaus-Peter Köhler.
Eigentlich wollte die Truppe die kommende Woche auf Fraktionsreise in Edinburgh verbringen. Doch aufgrund der britischen Proteste und der Weigerung der schottischen Metropole, ihnen Raum zur Verfügung zu stellen, wichen die Rechten nach Dublin aus. Staffelt will sich an den Schotten ein Beispiel nehmen. Er forderte gestern die Hotels und Gaststätten Berlins auf, den unliebsamen Gästen keinen Raum zur Verfügung zu stellen. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen solle „deutlich öffentlich erklären, daß diese Herren hier unerwünscht sind“. Wegen der bundespolitischen Bedeutung sei auch Bundeskanzler Helmut Kohl gefragt.
Im Europaparlament werden mittlerweile Möglichkeiten erwogen, den Rechten die üppig fließenden Reisespesen zu beschneiden. Immerhin kassieren sie für vier Trips in diesem Jahr gut 600.000 Mark. Daß man Parlamentarier nicht behindern darf, ist für Staffelt kein Argument, nicht trotzdem deutlich Flagge zu zeigen. Er will, daß schon jetzt „klipp und klar gesagt wird, wie die Stadt dazu steht“. Sollten die Rechten trotzdem kommen, werde man „gegebenenfalls diesen Herren einen gebührenden Empfang bereiten“. Dieter Rulff
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