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Onanierender Engel

■ Der Schweizer Schriftsteller Christoph Bauer las im Westwerk

Ein depressiv veranlagter Engel, der im Dunkeln zuweilen onaniert, ein Aas, das Präsident des Philatelisten-Vereins war, ein bieder-braves Krokodil, dessen Meerschweinchen-Freundin eine Liaison mit einem machohaften Hamster beginnt, das sind einige Figuren des schweizerischen Schriftstellers Christoph Bauer. Hierzulande noch völlig unbekannt, stellte er sich vorgestern abend im Westwerk vor.

Er las aus seinem neuen Buch Amoralische Fabeln die Geschichte eines jungen, schwulen Pudels, der sich von einem korrupten älteren Leoparden aushalten läßt. Die Beziehung endet für den Pudel tragisch. Christoph Bauer hält die Form der Fabel für außerordentlich geeignet, um seine „Sittenbilder“ zu zeichnen. Doch entgegen der klassischen Fabel will der 36jährige nicht moralisieren. Er wählt die Tiergeschichte, weil man „karikierend und plakativ“ schildern kann, was ansonsten nur klischeehaft wirken würde.

Christof Bauer reiht konzentriert Wort an Wort, seine Sätze sind mindestens einen Absatz lang, ohne die verschachtelte Logik eines Lessing bemühen zu müssen. Die klare Aneinanderreihung bestimmt den dynamischen Erzählfluß. Seine Bilder sind frisch, seine Sprache manchmal fast antiquiert. Die Sujets, die Bauer besonders interessieren, stammen aus der linken Intellektuellen-Szene und kreisen um die Beziehungen zwischen dem Mensch und der Umwelt.

Ein kleiner Totenkopf-Sticker mit rot aufblinkenden Augen liegt während der Lesung vor dem Mikroständer, vielleicht eine kleine Remineszenz an Christoph Bauers Zugehörigkeit zum schweizerischen Musik-Underground. Bislang hat der gelernte Buchhändler acht Werke veröffentlicht, den ersten Roman (Ekstase) schrieb er mit 19 Jahren. Er zählt sich zur intellektuellen Avantgarde, verachtet das Mittelmaß und ist doch wohlerzogen. Zum Abschluß seiner Lesung entzündet er zwei Pappsprengkörper, denen kleine Papierröllchen entspringen. Diese Zettel, beschrieben mit Aphorismen und längeren Gedankengedänken, schenkt er dem begeisterten Publikum.

Greta Eck

Christoph Bauer: Amoralische Fabeln, Eco-Verlag 1993. 216 Seiten, 32 Mark.

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