: Hotellerie übt Umweltschutz
■ Kaum ein Betrieb kann es sich heute leisten, den Umweltschutz links liegenzulassen, denn er gehört inzwischen zur verkaufswirksamen Imagepflege
Hat das „auspackende Gewerbe“, wie die Hotellerie von den Fachleuten der Abfallwirtschaft genannt wird, zum Thema Umweltschutz vor fünf, sechs Jahren noch spöttisch mit den Schultern gezuckt, gibt es seit Beginn der neunziger Jahre gute Ansätze auf breiter Front. Keine Unternehmensgruppe kann es sich heute leisten, den Umweltschutz links liegenzulassen, viele nutzen ihn schon als Marketing-Instrument.
Das Engagement ist auch dringend notwendig. Kaum ein anderer Wirtschaftszweig produziert derartige Müllberge wie die Hotellerie: Speisereste, Klarsicht- und Aluminiumfolien, Einwegbestecke und diverse PVC-Produkten.
Ende der achtziger Jahre überraschte die Silence-Hotelkooperation die Mittbewerber mit der Initiative für den Verzicht auf den täglichen Handtuchwechsel (mit Einverständnis des Gastes). Die Idee machte Schule und ist mittlerweile von der Branche fast komplett übernommen worden. Viele Hotels können heute mit einer ganzen Palette umweltfreundlicher Maßnahmen aufwarten:
– Verzicht auf Portionspackungen beim Frühstück und im Badezimmer,
– Verwendung von Mehrweggeschirr und Großpackungen,
– Verzicht auf Weichspüler, Desinfektionsmittel, Duftspender und andere chemische Keulen,
– Durchflußbegrenzer in Handwaschbecken und Duschen, Toilettenspülspartasten.
Die Liste ist beileibe nicht vollständig, und einige findige Hoteliers und ihre Mitarbeiter beweisen echten Pioniergeist.
Beispielsweise Fritz Rößler, Juniorchef des Hotels zur Post in Bremen. Er hat für sein Haus ein Blockheizkraftwerk angeschafft, das sich trotz einer Investition von 20.000 Mark schon nach drei Jahren amortisiert, weil es den Stromverbrauch sehr günstig steuert. Zusätzlich hat er eine Wärmerückgewinnungsanlage und eine FCKW- freie Klimaanlage installieren lassen.
Bernd Bendig, Chef des Alsterhofes, eines Viersternehauses in Berlin, praktiziert eine vorbildliche Müll- und Speiserestentsorgung. Durch konsequente Trennung von organischem und anorganischem Müll können siebzig Prozent des Müllvolumens kompostiert werden. Die Speiserestverwertung regelt Bendig mit einem Abholunternehmen in Bayern, das die Restbestände an Schweinefarmen weiterverkauft.
Gerade die Entsorgung des Mülls und der Speisereste ist ein dunkles Kapitel in der Hotellerie. Die früher verbreitete direkte Abgabe diverser Küchenabfälle an die Landwirtschaft und Schweinemästereien ist heute nur noch vereinzelt anzutreffen, weil die Bauern dafür seit 1988 nach einem Erlaß des Landwirtschaftsministeriums eine eigene Aufbereitungsanlage haben müssen. Diese erhitzt die Abfälle auf über 130 Grad Celsius, um die Seuchengefahr auszuschalten. Doch die Anlage kostet gute 50.000 Mark, und für die meisten landwirtschaftlichen Betriebe lohnt sich eine solche Investition nicht.
An ihre Stelle treten von der Abfallentsorgungsindustrie angebotene Speiserestevernichter, die sämtliche Küchenabfälle zerkleinern, mit Wasser aufkochen und diese unappetitliche Brühe direkt in die Kanalisation leiten.
Bernd Bendig, der auch Umweltschutzbeauftragter des Berliner Hotel- und Gaststättenverbandes ist, vermutet wie viele andere Fachleute, daß eine korrekte Mülltrennung bei diesen Anlagen nicht mehr vorgenommen wird, sondern wahllos alles hineingestopft wird, was an Müll im Hause anfällt. Seine Reaktion ist unmißverständlich: „Ene Naßmüllanlage kommt mir nicht ins Haus.“
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat Ende 1992 in einer Studie festgestellt, daß trotz aller Ansätze immer noch viel zu wenige Hotels die Möglichkeiten des Umweltschutzes ausschöpfen. Dabei versucht der Dehoga, der auch eine Broschüre zur Führung eines umweltfreundlichen Betriebes herausgegeben hat, seine Mitglieder vor allem davon zu überzeugen, daß Ökologie und Ökonomie keinen Widerspruch bilden müssen. Nach dem Gesichtspunkt der praktischen Umsetzbarkeit wurden insgesamt vierzig Kriterien zusammengestellt, mit denen die gastgewerbliche Branche mittelfristig auch viel Geld sparen kann. Die von der Dehoga vorgelegte Studie zeigt, daß sich je nach Betriebstyp pro Jahr zwischen 4.670 und 32.039 Mark einsparen lassen können.
Auch von der wissenschaftlichen Seite erhalten die Hoteliers Hilfestellung. In Berlin sitzt das „Institut für ökologisches Recycling“ (IföR), das sich vor allem der Entsorgung des Hotelmülls angenommen hat und bei mehreren Untersuchungen festgestellt hat, daß bei sorgfältiger Mülltrennung gut zwei Drittel des anfallenden Mülls kompostiert und recycelt werden können.
In Sachen Umweltschutz mutig voran gingen die Auszubildenden des Landhotels Schindlerhof in Nürnberg-Boxdorf. Sie ergriffen von sich aus die Initiative und ließen ihren Vorschlägen Taten folgen: Papier, Glas und Flaschenverschlüsse werden jetzt getrennt gesammelt und entsorgt. Tee gibt es nur noch lose und Säfte ausschließlich aus Pfandflaschen. Frühstückstische und Badezimmer sind frei von zellophanverpackten Portionen, und auch die Gäste sollen lernen, daß Handtücher nicht zweimal täglich gewechselt werden sollen.
Ketten und Kooperationen werden nicht müde, ihre Gäste zu loben für ihr Verständnis und ihre breite Zustimmung für den Umweltschutz im Hotel. Die Freude ist jedoch nicht ganz ungetrübt. Gerade die Fünfsternehäuser und Luxushotels der oberen Kategorie haben Bedenken, Kondensmilch und Zucker, Honig und Konfitüre, Käse und Wurst auf offenen Tellern und Schüsseln anzubieten.
Kempinski-Sprecherin Geerts sieht Probleme mit der vornehmen Klientel und hält derartige Frühstückspräsentationen „auch nicht für besonders hygienisch“. In seiner Broschüre weist der Dehoga jedoch ausdrücklich darauf hin, daß Frühstück im offenen Gebinde nicht gegen geltende Hygienevorschriften verstoße.
Unschlüssig ist man in dieser Frage auch bei der Hilton-Kette und bietet den Gästen salomonisch sowohl die portionierte als auch die offene Lösung an.
Recht unterschiedlich gehen die Hotelketten und -kooperationen mit dem Marketing ihres Umweltengagements um. Die Ramada- Kette mit 120 Häusern in 40 Ländern geht in die vollen, produziert jede Menge Pressemitteilungen, schaltet internationale Anzeigen und PR-Kampagnen und scheffelt interne und andere Umweltpreise.
Die Pressesprecherin und Umweltexpertin der Dehoga, Marita Kaiser, übt vorsichtige Kritik: „Die Unternehmen sollten sich möglichst um den Umweltschutz selbst und nicht so sehr um dessen Vermarktung bemühen.“
Die Steigenberger-Kette hat den Umweltschutz zur Chefsache gemacht. Konzernchefin Anne- Marie Steigenberger hat für alle Häuser eine Umweltschutzbeauftragte ernannt, die direkt dem Vorstand unterstellt ist. Renate Kirschstein koordiniert die Umweltschutzaktivitäten der Steigenberger-Häuser und setzte für alle verbindliche Standards durch. Zusätzlich wurde in jedem Haus ein Umweltschutzbeauftragter – möglichst in Abteilungsleiterposition – ernannt. Die Steigenberger „Umweltbotschafter“ treffen sich regelmäßig, tauschen Erfahrungen aus und kümmern sich um die innerbetriebliche Kommunikation zu dem Thema.
Ganz anders sind die Usancen bei der Maritim-Kette. Dort gibt es weder in zentraler Funktion noch in einem der 42 Hotels einen Umweltschutzbeauftragten. Pressesprecherin Bettina Häger versichert dennoch, „daß viel für den Umweltschutz getan wird“. Verbindlich für alle Häuser ist bei Maritim das portionslose Frühstück, ansonsten „liegt die Initiative bei den Hoteldirektoren vor Ort“.
Seit 1991 schreibt die Arabella- Hotelgruppe, die mit elf Häusern vorwiegend im süddeutschen Raum präsent ist, einen internen Umweltpreis aus, bei dem die Sieger für gute Vorschläge immerhin 5.000 Mark kassieren können. Ein Gremium prüft die Ideen auf ökonomischen und ökologischen Nutzeffekt, Realisierbarkeit und Neuartigkeit. Als Motto wählten die Arabella-Chefs ein Kästner- Zitat: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Peter Völkner
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