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Autoabgase vor der Daimler-Chefetage

■ Lüftungssystem des geplanten Straßentunnels mündet am Potsdamer Platz ins Freie / Kamin endet an Hochhausdach

Erstmals in der Bundesrepublik bekommt ein Autohersteller die Folgen seiner Produktion „hautnah“ zu spüren: Einer von zwei Entlüftungsschornsteinen des geplanten Straßentunnels unter dem Tiergarten wird an das Daimler- Hochhaus am Potsdamer Platz „angebaut“. Der Schornstein soll an der Dachkante des Daimler- Hochhauses in einer Höhe von etwa 85 Metern enden. Dies bestätigte Hans-Jürgen Albrecht, der technische Geschäftsführer der Daimler-Immobilientochter Debis, der taz auf Anfrage.

Fachleute bestätigten der taz, daß bei diesem Modell die Schadstoffe des Kraftfahrzeugverkehrs wie etwa Kohlenmonoxid, Benzol und Dieselruß quasi in die Höhe der Chefetage transportiert werden und bei schlechten Wetterlagen in den oberen Etagen die Fenster nicht geöffnet werden dürften, damit die „dicke Luft“ nicht ins Gebäude gelangt. Dies könnte möglicherweise auch andere Gebäude in gleicher Höhe wie den Daimler-Nachbarn Sony betreffen. Doch Debis-Chef Albrecht sagte, daß es zu „absolut keinen Problemen“ kommen werde, „sonst hätten wir dem Wunsch des Berliner Senats, einen der beiden Abluftschächte zu integrieren, nicht entsprochen“. Die Schadstoffe könnten weitgehend aus der Abluft gefiltert werden, und selbst bei ungünstigen Wetterlagen würden die minimalen Abgase von der Kante des Schornsteins nicht hinuntergedrückt.

Wieweit die nächsten Ansaugrohre der Klimaanlage von dem Schornstein entfernt sind, konnte Albrecht allerdings nicht sagen. Aus dem Pariser Büro des zuständigen Architekten Renzo Piano hieß es ebenfalls, daß es mit der Abluft keine Probleme gebe. Doch auf genaueres Nachfragen stellte sich heraus, daß die Details noch nicht ausgearbeitet sind – bisher ist nämlich noch gar kein Ingenieur beauftragt worden. Klaus Neumann, der für den Senat die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu den „Verkehrsanlagen im zentralen Bereich“ durchführt, berief sich immerhin auf ein lufthygienisches Gutachten, laut dem die Schornsteinlösung selbst unter ungünstigsten Voraussetzungen unproblematisch sei.

Neumanns Prüfung hatte ergeben, daß der Straßentunnel am umwelt- und stadtverträglichsten mit zwei Abluftkanälen entlüftet werden kann, wenn sie jeweils am Südende in eines der Daimler-Gebäude und am Nordende in dem noch zu bauenden Bahnhofsgebäude des Lehrter Zentralbahnhofs integriert werden. Die Schornsteine haben einen Durchmesser von 30 Quadratmetern. Debis will „seinen“ Abluftschacht an der Außenseite des Hochhauses Ecke Straßentunnel/Landwehrkanal so integrieren, daß von außen die Röhre nicht als Schornstein zu erkennen sei, sagte Albrecht. An die Röhre sollen Treppenhäuser „angeflanscht“ werden. Laut Albrecht hat das Unternehmen vom Senat keine Gegenleistung dafür bekommen, daß der Tunnel auf dem Daimler-Grundstück entlüftet wird. Dirk Wildt

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