: UNHCR erwägt Evakuierung Srebrenicas
■ Rund 20.000 Menschen sollen die Stadt verlassen können / Krieg in Bosnien forderte mindestens 139.000 Todesopfer / „Entscheidungsschlacht“ um Maglaj
Sarajevo (AFP/dpa) – Der bosnische Bürgerkrieg hat seit seinem Ausbruch vor knapp fünfzehn Monaten mindestens 139.312 Menschenleben gefordert. Das berichtete der bosnische Rundfunk unter Berufung auf die Gesundheitsbehörden in Sarajevo. Unter den Toten waren nach dieser Statistik knapp 16.000 Kinder. Einbezogen waren auch 8.934 Todesopfer in Sarajevo. Die Statistik ist nur unvollständig, da die Gesundheitsbehörden ausschließlich die Opfer auf seiten der Muslime und Kroaten berücksichtigt haben. Die serbische Seite hat bisher keine Angaben über ihre eigenen Verluste veröffentlicht. Insgesamt wurden seit Beginn der Kämpfe in Bosnien nach Erkenntnissen westlicher Hilfsorganisationen knapp 2,5 Millionen Menschen vertrieben.
Angesichts der „unerträglichen“ Lage in der überwiegend von Muslimen bewohnten UN-Sicherheitszone Srebrenica will das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) etwa 20.000 der 30.000 Bewohner evakuieren lassen. Die Stadt, die Platz für maximal 9.000 Menschen biete, sei seit Wochen nur unzureichend mit Trinkwasser versorgt worden.
Um die zentralbosnische Stadt Maglaj begann laut Radio Sarajevo am Wochenende die Entscheidungsschlacht. Serbische und kroatische Verbände lieferten sich Nahkampfgefechte mit muslimischen Truppen. Zepce im Süden von Maglaj stehe kurz vor der Einnahme oder sei bereits eingenommen worden, hieß es weiter. Brände hätten die Stadt fast vollständig zerstört.
In Sarajevo versuchten die bosnischen Serben die muslimischen Einheiten vom Berg Zuc zu vertreiben. In Mostar, wo die bosnischen Truppen am Mittwoch die nördlichen Stadtteile erobert hatten, kam es – nach kroatischen Angaben – zu sporadischen Schußwechseln.
In Belgrad haben etwa fünfzig Regierungsgegner einen Hungerstreik begonnen, mit dem sie die Freilassung von Oppositionsführer Vuk Drašković und seiner Frau Danica erzwingen wollen. Die beiden waren am 2. Juni im Anschluß an eine gegen die Regierung gerichtete Demonstration festgenommen worden.
Um die Respektierung der von den Vereinten Nationen in Bosnien eingerichteten sechs Sicherheitszonen durchzusetzen, hat Frankreich einen Angriff der Luftwaffe nicht ausgeschlossen. Der französische Premierminister Edouard Balladur sagte am Sonntag im französischen Fernsehen, daß neben anderen Maßnahmen auch ein Luftangriff in Erwägung gezogen werde. Die Aufhebung des Waffenembargos für Bosnien schloß Balladur dagegen aus: „Das würde einen gnadenlosen Krieg zur Folge haben, und uns Franzosen würde dann nichts anderes übrigbleiben, als unsere Streitkräfte abzuziehen.“
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