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Betr.: Mapplethorpe

Daß Kunst oder nicht Kunst eine Frage des Kontextes resp. der Libido des Betrachters ist, beweist postum – einmal mehr – Kollege Mapplethorpe. Unter dem Namen desselben wurde im Nachlaß ein Band mit Blumenbildern veröffentlicht, der auch der Stadtsparkasse Wuppertal, als Jahresgabe für die besten Kunden, alle Ehre machen würde.

Damit man dennoch das Falsche – nämlich das Erotische, das Schweinerne, das Revolutionäre, das subversiv Ästhetische usw. – vermute und das Prachtbändchen kaufe, hat sich der Verlag für eine Schwertlilie auf dem Cover entschieden, deren emporragender, gelb leuchtender Stempel den für die Kunst unverzichtbaren Phallus markiert.

So kann das Verwertungshaus im nach innen verlegten Klappentext auch in bewährter Weise dabei verweilen, daß es „auch hier“ dem 1989 verstorbenen Mapplethorpe „letztlich um das eine Thema ging: die zum Stilleben stilisierte Sexualität. Unter Mapplethorpes Augen verlieren die Blumen ihre Lieblichkeit, ihre unschuldige Symbolik ...“

Glauben Sie nichts. Die Fotos sind so aufregend wie die Bebilderung eines Lehrganges zum Blumenstecken, und der Text von Patti Smith belegt in der Manier einer Grabbeigabe die Wohlerzogenheit der ganzen Veröffentlichung, indem er im ersten wie im letzten Satz den lieben Gott beibemüht: „Durch Gottes Gnade borden unsere Felder und / Gewächshäuser über mit Blüten. Sie können zur Gabe / geordnet und getauscht werden.“

Warum aus der Naturbetrachtung Mapplethorpes der Same unfrommer Denkung gelichtert werden muß, ist ohnehin rätsel- und zweifelhaft, warum das Ganze dann Kunst sein soll, ist zweitens nicht unbedingt einzusehen, warum Mapplethorpes Nachlaßverwalter hier aber beides verfehlen, wissen nur Schirmer und Mosel (München * Paris * London).ES

Abb: Mapplethorpe. Aus dem Band „Flowers“, Schirmer/Mosel, Broschur, 54 S., DM 39,80

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