Quad als Gipfelschlager

Die Handelsbeauftragten der G-7-Länder sprechen von einem Durchbruch bei Zollfragen / Schritt in Richtung Gatt-Abschluß  ■ Aus Tokio Donata Riedel

Die Regierenden der sieben reichsten Industriestaaten (G 7) haben gestern ihrem Gipfellatein eine neue Vokabel hinzugefügt: „Quad“. Die Silbe ist die Abkürzung von „quadrilateral“, was soviel wie vierseitig heißen soll und eine Gesprächsrunde zwischen den Handelsbeauftragten von USA, Japan, EG und Kanada meint.

Die Viererrunde feierte gestern in Tokio sich selbst dafür, daß sie auf dem Gebiet des Handels einen „Durchbruch“ erzielt habe. Für acht Produktgruppen einigten sie sich darauf, alle Zölle und sonstige Handelsschranken zu beseitigen. Darunter fallen Pharmazeutika, Baumaschinen, medizinische Geräte, Stahl, Bier und mit Einschränkungen Möbel, landwirtschaftliche Geräte und Schnaps. Generell sollen Zölle über 15 Prozent des Verkaufspreises um die Hälfte gesenkt werden. Für verschiedene Produktgruppen wie zum Beispiel Chemieerzeugnisse wollen die vier die Zölle untereinander angleichen.

Dieser „erleichterte Marktzugang“, freute sich die Gruppe am Abend, werde den festgefahrenen Gatt-Verhandlungen über die Liberalisierung des Welthandels neuen Schwung geben. EG-Handelskommissar Sir Leon Brittan erwartete jedenfalls, daß die G-7- Regierungschefs (aus den USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada) das Ergebnis freudig begrüßen werden – erlaube es ihnen doch, in ihrer Gipfelerklärung am Freitag etwas anderes zum Gatt zu schreiben, als die Ankündigung des „schnellen Abschlusses noch in diesem Jahr“.

Die Euphorie der Quadriga, die 17 Stunden am Stück getagt hatte, wurde allerdings von Regierungssprechern etwas gedämpft, die lieber von einem „Schritt in Richtung Gatt“ sprachen als von einem Durchbruch. Denn die am meisten umstrittenen Gatt-Handelsfragen, nämlich im Agrar- und im Dienstleistungsbereich, blieben weiter ausgeklammert. Allgemeines Rätselraten herrschte vor allem über die Reaktion der Franzosen, die sich gestern bis Redaktionsschluß nicht äußerten, aber wegen ihrer Bauern die härtesten Gegner eines Gatt-Agrarabkommens sind (das ihnen Subventionen weitgehend untersagen würde). Am optimistischsten äußerte sich noch Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP), der meinte, daß sich in diesem Rahmen die Franzosen wohl nicht gegen die G 7 stellen würden.

Zweifel an der Zustimmung der USA

Während manche Diplomaten gestern abend eher die Hindernisse auch innerhalb des Abkommens betonten, weil sie daran zweifelten, daß die USA sich auf ein entsprechendes Stahlabkommen tatsächlich festlegen lassen, lobten andere vor allem EG-Kommissar Brittan: Der Außenhandelskommissar habe geschickt vor allem die Franzosen ausgetrickst, indem er sich für Zollfragen noch flugs ein Mandat habe erteilen lassen. Und am Montag würden ja bereits die Gatt- Verhandlungen weitergehen.

Jedenfalls, so ein trockender Kommentar aus der britischen Delegation, hat der neue Gatt-Chef Peter Sutherland wieder neue Arbeit. Manch ein Beobachter hielt es auch für möglich, daß, um einen Gatt-Abschluß zu erreichen, die Verhandlungspartner aus 116 Staaten sich darauf einlassen, den strittigen Agrarbereich auszuklammern. Diese Beobachter begründeten ihren Optimismus damit, daß die „Tokioter Plattform“ das größte Zoll-Senkungsprogramm der Geschichte sei.

In den verbleibenden zwei Gipfeltagen wollen die G-7-Regierungschefs außer über Handelsfragen über die schlappe Konjunktur, die Arbeitslosigkeit in ihren Ländern — zusammengezählt sind 23 Millionen Menschen ohne Job — über Umwelt, Dritte Welt und über den Gipfel selbst sprechen. Der britische Premierminister John Major würde gerne zum Kaminfeuer der frühen Gipfel 1975 und 1976 zurückkehren. Bundeskanzler Helmut Kohl, der hier seinen elften Gipfel zelebriert, ließ verlauten, er stehe jedem Änderungsvorschlag offen gegenüber.